Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?
Die Gala der Preisträger*innen des 27. Internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals Stuttgart in der HebelHalle
Die Preisträger-Gala des Stuttgarter Solo-Tanztheater-Festivals in der Hebelhalle
Wer bei einem Solo-Tanztheater-Festival zu den Preisträgern gehören will, muss sich was (zu)trauen. Wenn ein einzelner Tänzer, eine einzelne Tänzerin die leere Bühne füllen soll, müssen Bewegungsideen und ihre Umsetzung interessant und stimmig gleichermaßen sein. Um noch dazu eine Jury zu überzeugen, müssen die Ideen aktuell und originell sein.
Seit 22 Jahren veranstaltet Marcello Santos das Stuttgarter Solo-Tanztheater-Festival, und seit etlichen Jahren ist die Hebelhalle dabei, wenn die Preisträger des Festivals Ende November auf Gastspielreise gehen. Beim Heidelberger Tanz-Publikum hat es sich offensichtlich herumgesprochen, dass bei dieser Preisträger-Gala jedes Mal spannende Entdeckungen zu machen sind.
Gender-Verunsicherung und Gender-Selbstvergewisserung sind überaus aktuelle Themen. Kein Wunder, dass auch die preisgekrönten Stücke dieses Jahres davon erzählen. Den ersten Preis für Choreografie hatte die Jury an den Spanier Angel Duran Muntada vergeben, der sein Stück „The Beauty of it“ selbst interpretierte. Er hatte ein Zitat von C.G. Jung zum Ausgangspunkt für sein choreografisches Konzept genommen, das auf die Unterschiede von Selbst- und Fremdwahrnehmung der eigenen Persönlichkeit abhebt.
Mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Frauen setzten sich Choreografin Roberta Ferrara (3. Preis Choreografie & Residence Prize) und Tänzerin Tonia Laterza (3. Preis Tanz) auseinander. Die Vorbilder der beiden Italienerinnen waren offensichtlich kämpferische Amazonen, die auch in direkten Auseinandersetzungen auf physischer Ebene den Männern ebenbürtig waren, also „Equal to Men“. Tonia Laterza weiß als starke, kämpferische Frau zu überzeugen.
Ganz anders näherten sich Choreografin Giulia Menti und Siegerin in der Kategorie Tanz, Francesca Bedin, der Frage, welche Stärken im weiblichen Körper, also „In dieser Frau“ stecken. Auch die beiden Italienerinnen überzeugen durch ihre einfühlsame Zusammenarbeit und Francesca Bedin durch die enorme Bühnenpräsenz, mit der sie männliche und weibliche Attribute verkörpert. Auch der 2. Preisträger in Sachen Choreografie, Lukas Karvelis (Litauen), schickt seinen Tänzer Matias Rocha Moura (Portugal) in „Blank spots“ auf eine Reise durch die Gender-Dualität.
In der Gunst des Publikums hatte in Stuttgart der Gewinner des 2. Preises in der Rubrik Tanz ganz vorn gelegen. Der Franzose Kévin Coquelard war in seinem Stück „Le Somnanbule“ dem Unterbewusstsein eines Tänzers auf der Spur, der schlafwandlerisch, spielerisch und technisch verblüffend Bewegungsimpulse aus klassischen Ohrwürmern von Khachaturian bis Strauss aufnimmt – auch in Heidelberg ein gelungener „Rausschmeißer“.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments