Schlicht und ergreifend
In Heidelberg zu Gast: Solo-Tanz-Theater made in Stuttgart
Die Gala der Preisträger*innen des 27. Internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals Stuttgart in der HebelHalle
Allein eine Bühne ausfüllen zu können, ist die Königsdisziplin der Darstellenden Künste. Kein Wunder, dass der alljährliche Tourauftakt des Stuttgarter Solo-Tanz-Theater-Festivals in der Heidelberger Hebelhalle eine eingeschworene Fan-Gemeinde hat. Hier lässt sich hochaktueller, internationaler zeitgenössischer Tanz in höchst kondensierter Form erleben: Den Teilnehmer*innen des Wettbewerbs stehen 15 min, eine leere Bühne und – wenn überhaupt – sparsamste Requisiten zur Verfügung, Musik vom Band, gängige Beleuchtungsmöglichkeiten und ansonsten nur der eigene Körper. Längst hat sich das Stuttgarter Event zu einer internationalen Plattform entwickelt: Neben den von einer Jury ausgewählten Preisträger*innen in den Sparten Choreografie und Tanz gibt es Publikumspreise, Produktionspreise, Festival-Teilnahmen oder Scholarships zu gewinnen.
Einen solchen Preis (Scholarship Equilibrico Dinamico Ensemble) gewann Dominyka Markeviciute (Litauen) mit der höchst ungewöhnlichen Choreografie ihres Landsmanns Lukas Karvelis „She Dreamt of Being Washed Away To the Coast“. Die litauische Version der „Kleinen Meerjungfrau“ spielt in der Ostsee und begründet die Bernsteinfunde an der litauischen Küste. Der Choreograf versah die Meeresgöttin Jūraté zwar nicht mit einem Fischschwanz, aber mit Flossen statt der Arme: Die Hände der Tänzerin steckten in den Taschen ihres Blousons fest. So blieb ihr der überaus kraftvolle, bewegliche Körper, um sich als Teil der sie umgebenden Wellen zu bewegen. Mit unendlichem Kraftaufwand gelingt es ihr, sich gegen das fließende Element aufzurichten – aber nicht auf Dauer. Voller Überraschungen – allerdings hier erzielt durch virtuose Stilbrüche – steckte auch Stück „Saudade“ des Spaniers Carlos Aller, der die italienische Tänzerin Cecilia Bartolino (2.Preis Tanz) durch unterschiedlichste Facetten des portugiesischen Weltschmerzes schickt.
Die übrigen vier Teilnehmer*innen an der Gala-Tour waren in diesem Jahr Choreograf oder Choreografin, Tänzer oder Tänzerin jeweils in einer Person. Wobei die Italienerin Nuncia Picciallo in ihrer Choreografie „WAMI“ (What Am I?) die Frage nach der eindeutigen geschlechtlichen Zuordnung falsch gestellt sieht – und eine sehr männliche und sehr weibliche Variation ihrer selbst zur Schau stellte (3. Preis Tanz). Der 1. Preis in Sachen Tanz, verbunden mit dem Genfer Cherkaoui Award, sicherte sich der Koreaner Liao Szu-Wei mit der Performance „Drwon“, die wie ein ruhiges, unerbittliches Selbstgespräch daherkam.
Ganz anders die mit dem 2. Preis für Choreografie ausgezeichnete Selbsterkundung von Louis Gillard (Frankreich): Völlig ohne Musik begibt sich der charismatische Tänzer in „pif paf pouf “ auf eine höchst subjektive, grandiose und vielfach lustige Tour de Force durch Erinnerungs-Bruchstücke aus seinem Tänzerleben, die sein Körpergedächtnis unauslöschlich gespeichert hat.
Die ungewöhnlichste Darbietung „Il pleut, Il plaint, Il rage“ des Kanadiers Charles Brecard gewann nicht nur den 1. Preis für Chorografie, sondern auch den Residenzpreis des Euilibrio Dinamico Ensembles und den DAF INTERATIONAL AWARD. Minimalistisch mit Mimik und Gestik spielend, schafft es der Tänzer/Choreograf bedrohliche Risse in der bürgerlichen Fassade aufzuzeigen – ein hintergründiges Stück über die Kraft nonverbaler Kommunikation.
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