Ende einer Pionierarbeit
Jess Curtis ist unerwartet gestorben
Sie haben auf die Premiere Mitte April hingearbeitet, doch ließ die Pandemie es wieder nicht zu. Anstelle eines Live-Auftritts vor Publikum gab das Produktionsteam Curtis & Co. – dance affairs am Wochenende einen Einblick in die Entwicklung des neuen Stücks „Butterfly Brain“ in Form eines Live-Stream-Events. Zum von Curtis moderierten Gespräch gab es kleine Live-Vorführungen und eingeblendete Filmszenen samt Musikuntermalung.
Das Stück handelt von einem schweren Thema, von der Krankheit Demenz. Schwer deswegen, weil es im Grunde jeden treffen kann und die damit verbundene Vorstellung vom Verlust der eigenen Identität schwer zu ertragen ist. Die Tänzerin und Choreografin Susanna Curtis ist damit seit Jahren konfrontiert in ihrer Arbeit als Clown-Doktor in Kliniken und Altenheimen. Sie hat die Stimmungsschwankungen der Erkrankten mitbekommen, die von aggressiv-laut bis zu leise-poetisch reichen, und das Leiden der Verwandten erlebt.
Curtis war davon ausgegangen, dass fast alle Menschen direkt oder indirekt mit Demenz in Kontakt kommen und stellte überrascht fest, dass das bei ihrem Team bislang nicht der Fall war. „Aber wir sind durch die Arbeit am Stück alle sensibilisiert für die ersten Anzeichen“, sagt Jürgen Heimüller, der als Darsteller aus dem Schauspiel kommt und Experte für das Filmen ist. Eva-Maria Christ und Johannes Walter sind ausgebildet im Ballett und erfahrene Darsteller*innen. Sie alle haben in der Vorbereitung viel gelesen zum Thema Demenz, Sachtexte ebenso wie Biografien, und sie haben Filme angeschaut.
Das gemeinsame Arbeiten bestand nach Auflockerungsübungen in Improvisationen zu einzelnen Fragen, die die Choreografin ihnen stellte. „Dabei folge ich nicht dem Narrativ, sondern der Emotionsebene.“, erklärt sie. Das wird in der gefilmten Tanzszene deutlich, wenn Heimüller einen trocken-sachlichen Erklärungstext zu Demenz vorträgt und Walther die darin vorkommenden Motive Verknotung und Verstopfung tänzerisch interpretiert.
Eva-Maria Christ folgt der Beschreibung von einer Frau, die schweigend mit ihrer Handtasche herum sitzt. Was hat sie darin gesammelt? Sie holt ein Jackett hervor, das stellvertretend für Verlust steht. Sind diese beiden Themen sehr anrührend, so versetzte eine andere in unheimliche, fast bedrohliche Stimmung, erreicht durch einen live vorgeführten Filmtrick. Heimüller filmte ein Tanzsolo mit dem Handy, das mit Rückkoppelung auf die Bühnenrückwand geworfen ein mehrfaches Bild produziert. Dazu bewegte und drehte Heimüller das Handy, was die Leinwand quasi in Schieflage versetzte. Der Sound betonte das Unsicherheitsgefühl.
Aber Curtis wäre nicht Curtis, wenn sie Leichtigkeit und Humor nicht auch in dieses Stück bringen würde. Das Alltagsvergessen (Schlüssel verlegt, Termin vergessen u.v.a.) wurde am Ende live dargestellt. Im Bühnenstück wäre es die erste Szene. Der Titel „Butterfly Brain“ ist übrigens ein Begriff, den Curtis in einem Flyer der Stadt Nürnberg fand, der in einfacher Sprache gehalten ist. Darin erklärt eine Großmutter ihrer Enkelin die Krankheit Demenz, das sei wie Schmetterlinge im Kopf. Der Titel von Didi Hallervordens Film „Honig im Kopf“ beschreibt es ähnlich.
Im Anschluss an die einstündige Live-Stream-Premiere beantwortet das Produktionsteam die Fragen des Publikums in einem offenen Gespräch via Zoom. Natürlich hoffen sie auf eine baldige Aufführung in der Tafelhalle Nürnberg live vor körperlich anwesendem Publikum. Mit dieser digitalen Premiere konnten aber auch Menschen einen Eindruck gewinnen, die vermutlich nicht werden anreisen können.
Der Trailer Butterfly Brain-Trailer bleibt zunächst online: https://vimeo.com/manage/videos/533113994
Weiteres siehe: www.tafelhalle.de
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