„The Divine Cypher“ von und mit Ana Pi 

Im Zwischenraum von Realität und Traum

„The Divine Cypher“ von Ana Pi zu Gast beim Spielart Festival München

„The Divine Cypher“ lädt mit seiner Vielzahl an Verweisen auf Vergangenes und Zukünftiges, Geisterhaftes und Profanes wenn nicht zum Dechiffrieren, dann zumindest zum Träumen ein.

München, 22/10/2023

Von Antonia Grahmann

What is reality? What is dream? Mit diesen Fragen schickt Ana Pi ihr Publikum zurück in das Außen des Theaterfestivals. Nach einer Stunde auf einem Planeten aus weißen Tüchern, glitzernden Staubpartikeln und atmosphärischen Sounds ist das ein Bruch und eine Herausforderung, denn plötzlich ist die aktive Teilnahme gefragt und die Reflektion über das, was diese Studie des haitischen Tanzes zu sagen hat.

Zu Beginn dieses Abends hatte Ana Pi, ganz in weiß gekleidet, mit einem Gesichtsschild aus Plastik und einem Wasserkanister auf dem Kopf langsam den Bühnenraum ertanzt. Dieser mutet selbst wie ein heiliger Ort an. So spannen sich weiße Stoffbahnen über einen großen Spiegel, umgeben von Dünen aus Zucker. Wie ein kleiner Altar im Altar sind Blumen und Bücher um eine Videoinstallation am linken Rand der Bühne gruppiert.

Tanz wie in Zeitlupe

Ruhe und Achtsamkeit bestimmen anfangs den Raum und die Bewegungen Ana Pis. Auch bedingt durch das Gewicht des Wassers auf ihrem Kopf wirkt der Tanz wie in Zeitlupe. Atmosphärische Elektrosounds und gedimmtes Licht unterstreichen die geheimnisvolle Stille ihres Tanzes. Im Laufe des Abends wird sie den Wasserkanister ablegen, ein Pas de deux mit einem Mini-Mars-Rover hinlegen und durch die Zucker-Dünen tanzen, bis die Luft glitzert und ihre Schritte knirschen.

In „The Divine Cypher“ bewegt sich Ana Pi auf den Spuren der ukrainisch-amerikanischen Avantgarde-Filmemacherin Maya Deren. Diese hat sich in den 1940er und 50er Jahren mit der wissenschaftlichen Unterstützung der US-amerikanischen Grande Dame des Black Dance Katherine Dunham mit Tänzen der Voudoun (haitianischer Voodoo-Kultur) auseinandergesetzt. 

Verknüpfung von Ritus und zeitgenössischem Tanz

Es sind Verwebungen, die diesen Abend bestimmen: die gekonnte Mischung aus Traditionellem und Modernem, sowohl in den Ästhetiken des Bühnen- und Kostümbilds, sowie in der Choreografie und Musik, das Verknüpfen von rituellen haitianischen und zeitgenössischen Tänzen, aber auch das organische Ineinandergreifen von Maya Derens und Ana Pis künstlerischen Auseinandersetzungen mit Voudoun.

Ana Pi widmet sich ihrem Thema mit spielerischem Witz. Der ferngesteuerte Rover mit aufgesetzter Blume, der ihr als Tanzpartner und Begleiter dient, ist nur eines der modernen Brechungen mit der sakralen Einrichtung des Abends. Ana Pi – selbst nicht nur Choreografin und Tänzerin, sondern auch Videokünstlerin – verarbeitet die Filme Derens und verfremdet sie ins Komische, hält dabei aber immer die Spannung aus Heiligem und Witzigem in der Waage.

 

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