Synchron getanzte Bankette
Gabriel Pitonis Tanzstück „Next To Me“ im Regensburger Antoniushaus
Es blitzt und kracht. Dichter Nebel wabert über die freiliegende Bühne im Theater an der Uni Regensburg. Dazwischen wildes Getümmel und schemenhaft herumspringende, hastende Menschen. Nach und nach sinken sie zu Boden, der Nebel lichtet sich, Stille kehrt ein. Sind die Tanzenden tot? Oder nur erschöpft vom alltäglichen Kampf, den Widrigkeiten des Lebens und der kräftezehrenden Konkurrenz?
Als im Hintergrund ein kleines Licht die Dunkelheit durchbricht und sich langsam nach vorne tastet, regt sich wieder Leben in den Körpern. Eine kollektive Bewegung zieht sie nach oben, mit hoch gereckten Armen streben sie zum Licht und reichen es von einem zur anderen weiter. Es ist ein neues Leben, ein vorsichtiges, neugieriges, manchmal auch zurückschreckendes gegenseitiges Sich-Entdecken.
Drei verschiedene Tanzgruppen haben sich für das Stück „Große Liebe“ zusammengetan, das beim 6. Festival für inklusiven Tanz am Wochenende eine begeistert gefeierte Premiere erlebte. Neben dem inklusiven Tanztheater von Schüler*innen des Bischof-Wittmann-Zentrums waren die älteren Tänzerinnen der Herbstzeitlosen und Studierende der OTH an der Entdeckung der Kraft der Liebe beteiligt. Nach den kaum mehr überschaubaren, geschickt choreografierten Massenszenen mit rund 30 Tanzenden, großen und kleinen, jungen und alten, entwickelt sich die Freilegung der positiven, schöpferischen Kräfte des Miteinanders, Zugewandtseins, jeder Form liebender Beziehungen in kleinen Gruppen.
Paarweise tanzen sie umeinander, entdecken die Zweierbeziehung, zählen mit Blütenblättern ab, wer wen liebt und stoßen auf Ablehnung, die sie mit Tränen verkraften müssen. Es gibt kurze, bemerkenswerte Soloparts und jede der drei Gruppen tanzt einen eigenen Part, der mal an Jugendspiele, mal an moderne Popchoreografien erinnert.
Bedrückende Stimmung entfacht nach der Pause das mit hoher Professionalität getanzte Duett „chAOs“ der Tanzbar-Bremen. Getrieben von latent bedrohlicher Musik umkreisen zwei Tänzer in zeitgemäßen Hip-Hop-Outfits die leere, matt und kalt beleuchtete Bühne. Während sich die Sounds zu einem unheilvollen Sturmgeheul steigern, die gewaltigen Kräfte des außer Rand und Band geratenen Klimas symbolisierend, schleppen sich die Gefährten zunehmend mühsamer durch die lebensfeindliche Landschaft. Es ist ein einfaches Setting, gestaltet durch heftige Sounds und wechselnde Lichtstimmungen, die in aggressiven Gewaltausbrüchen, Verzweiflung und gegenseitigem Sich-Stützen eine beunruhigende Zukunft erahnen lassen.
Die „Kleine Liebe“ des gegenseitigen Begehrens, Verlangens und der Enttäuschungen wird von der Inclusive Dance-Company Upside Down im letzten Stück des Abends auf berührende Weise beschworen. Wolfgang Maas, der das Festival kuratierte und auch die „Große Liebe“ mit Dorothee Janssen und anderen einstudiert hat, entwickelte die Choreografie. Darin baut er auf wunderbar respektvolle Weise auf dem Bewegungsvokabular der Rollstuhlfahrerin auf, ohne dass der Tanz trotz Klischees und simpler Wahrheiten an irgendeiner Stelle unnatürlich oder aufgesetzt wirken würde. Mit wenigen Requisiten, einem halb transparenten, weit dehnbaren Tuch entstehen ein Zelt, ein Bett, intime Momente voller Zartheit und Würde.
Die Unterschiede im Niveau der drei Ensembles wurden bei allen drei Ensemble durch eine leidenschaftliche Hingabe und eine unverstellte, mitreißende Lust der Tanzenden mehr als wett gemacht. Chapeau, mehr davon!
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