Zwischen Beifall, Erstaunen und Gemeinschaftsgefühl
Battle-Formate beim Hip Hop- und Housedance-Festival Flavourama
von Lynn Kuhfuß
„blinds“, das bedeutet im Englischen „Jalousien“, „Markisen“ oder „Vorhänge“. Stoffbahnen aus verschiedenen Materialien, die wir aufhängen, um mehr oder weniger Licht in einen Raum zu lassen oder mehr oder weniger von ihm nach außen zu zeigen. Bei der Premiere von „blinds“ von Cornelia Böhnisch, künstlerische Co-Leiterin (Konzept, Raum und Choreografie) im Toihaus Theater in Salzburg, wird dann auch ein Ensemble von Stoffbahnen ganz materiell zu Protagonisten.
Ein- und Ausfalten, Ein- und Ausatmen
Links und rechts am Bühnenrand stehen drei Performerinnen. Im Raum verteilt hängen etwa 2 Meter breite dunkelgraue Vorhänge aus Samt, Voile und einem silbernen Stoff von der Decke. Kim Ceysens, Elena Francalanci und Julia Müllner beginnen abwechselnd, an dünnen schwarzen Seilen zu ziehen. Die Vorhänge bewegen sich vertikal nach oben, verschwinden jedoch nicht im Schnürboden, sondern falten sich mal langsamer, mal schneller ein- und wieder aus. Das fahle Licht von Florian Kirchmayr betont die unterschiedlichen Texturen der grauen Stoffbahnen. Jede hat ihre eigene Körperlichkeit und Bewegungsqualität: Glänzender Samtstoff schiebt sich gemächlich übereinander, wobei der leicht durchsichtige Voile-Stoff sich gewichtslos schichtet und der silbrige Vorhang in der hinteren Bühnenmitte bei jeder Bewegung prunkvoller zu Glänzen scheint. Begleitet von der zurückhaltenden sphärischen Soundscape Alexander Bauers entwickelt sich eine konzentrierte Komposition oder doch Choreografie der Materialitäten.
Subjekte und Objekte
Die drei Performerinnen wirken dabei nicht wie Bühnentechnikerinnen. Ihre Zugbewegungen haben etwas sehr Präzises und bleiben dennoch zurückhaltend. Die Zuschauenden dürfen entscheiden, wer die eigentlichen Akteur*innen sind. Unterschiedliche Konstellationen von Mensch und Material entstehen: Jemand kniet unter dem Samtvorhang und wird durch sein Herablassen unsichtbar. Anders bei Voilé: Im sanften Licht ist die Person dahinter noch deutlich erkennbar. Nun kein Akt der Seitenbühne mehr, lagert sich das Ziehen der Seile im Bühnenraum vor oder hinter die dadurch ausgelösten Bewegungen der Vorhänge. Das leichte Surren der Seilspulen fügt sich fast unbemerkt in die elektronischen Sounds ein.
Für Cornelia Böhnisch, so liest man im Programm, ist der Raum „eine Projektionsfläche für das eigene Empfinden“. „blinds“ hat etwas streng Reduziertes, lädt ein, sich für 40 Minuten auf einen Raum und eine Materialität von Stoffen zu fokussieren, mit diesen zu resonieren. Vielleicht entsteht ein Moment der Immersion, vielleicht bleibt es auch „nur“ bei der Betrachtung, wie unterschiedliche Stoffe sich singulär, asynchron, synchron ineinander falten lassen. Auf jeden Fall aber ein Raum für Ruhe. Ruhe in einer Zeit des Rechtsrucks, genau 48 Stunden nach der Nationalsratswahl in Österreich, erscheint wie eine Einladung zum Innehalten, als wenn man sich in einem Schwindelzustand visuell an einem Punkt festhält. An so einem Punkt passiert nicht viel, er ist da und man heftet den Blick an ihn.
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