Alles wieder gut?
Berliner Senatsverwaltung rehabilitiert nun auch Ralf Stabel in der Causa Staatliche Ballettschule
Ein Kommentar von Konrad Hirsch zur Rehabilitierung von Ralf Stabel
Die Senatsverwaltung für Bildung hat den Leiter der Staatlichen Ballettschule Berlin, Ralf Stabel, rehabilitiert, nachdem der promovierte Tanzhistoriker jahrelang völlig ungerechtfertigt öffentlich angeprangert worden war. Mich hat diese Nachricht sehr gefreut. Trotzdem bleibt ein bitterer Nachgeschmack, denn die Schuldigen am sogenannten Berliner Ballettschul-Skandal wurden bisher nicht zur Rechenschaft gezogen.
Ich kenne Ralf Stabel seit 1997. Unser erstes gemeinsames Projekt war einen Dokumentarfilm zum 100. Geburtstag von Palucca. Bis heute arbeitete ich gern mit ihm, schätzte ihn als klugen, feinsinnigen und reflektierten Menschen, der stetig kreative Ideen entwickelt, diese überzeugend vermittelt und die Konsequenzen von Entscheidungen im Vorfeld mit hohem Verantwortungsbewusstsein abwägt und bedenkt.
Plötzliches Klima der Angst?
Seit Ralf Stabel die Staatliche Ballettschule Berlin leitete, war ich dort mit der Kamera zu Gast, sammelte Material für einen Dokumentarfilm, der auch als Imagefilm für die Schule angedacht war. Die Atmosphäre im Schulalltag empfand ich, besonders nach der Eröffnung des architektonisch gelungenen Schulneubaus 2010, als äußerst kreativ und positiv – eine ganz andere Atmosphäre, als in der Presse ab Januar 2020 widergespiegelt wurde. Da war plötzlich von einem „Klima der Angst“ die Rede. Es irritierte mich, dass es an jener Schule, die ich doch recht gut kannte, nun plötzlich skandalöse Verhältnisse herrschen sollten und von Missbrauchsfällen die Rede war? Und noch mehr irritierte mich – und wie mir bald auffiel nicht nur mich – die einseitige, subjektive, verzerrte und unwahre Medienberichterstattung. Da kam latent nur eine Seite zu Wort. Ich konnte nicht begreifen und nicht akzeptieren, dass Äußerungen, die den Skandal hinterfragten und widerlegten, keine Stimme hatten. Das brachte mich auf die Idee, die Initiative „Save the Dance“ zu gründen, mit einer Webseite und Social-Media-Kanälen. Der Erfolg war überwältigend.
Heute sind die Webseiten von „Save the Dance“ eine wichtige Dokumentation des erschreckend inkompetenten Umgangs der Verantwortlichen bei der Bewältigung einer angeblichen Krise, die der Schule ihre Alleinstellungsmerkmale und ihr internationales Renommee gekostet hat, jungen Menschen jene Hoffnungen raubte, die sie mit dieser Schule verbanden, die die beiden Leiter Gregor Seyffert und Ralf Stabel völlig ungerechtfertigt in fatale Lebenssituationen brachte, was durch nichts zu entschuldigen oder zu entschädigen ist, und die den Steuerzahler wohl nahezu eine Million Euro kostete.
Die Rehabilitierungen von Gregor Seyffert und Ralf Stabel sind kein Grund einen Schlussstrich zu ziehen. Jetzt müssen weiter Schritte folgen, wenn die Politik und Presse ihre Glaubwürdigkeit in diesem Zusammenhang wieder herstellen wollen. So müssen die Schuldigen zur Verantwortung und Rechenschaft geführt werden, die Anfang 2020 ein Dossier voller anonymer Lügen und unbewiesener Vorwürfe an Politik und Presse verbreitet haben. Die Autorinnen dieses verwerflichen Reports, der so immensen Schaden anrichtete, sind der Senatsverwaltung und inzwischen hoffentlich auch der Staatsanwaltschaft bekannt.
Ein Fall von Rechtsmissbrauch
Dann muss die Rolle der Presse beleuchtet werden. Als sich die gegen die Schulleiter erhobenen Vorwürfe vor Gericht als „Luftblasen“ erwiesen, saßen die Verfasser der Skandalberichte vom Investigationsteam von rbb24 hinter mir im Gerichtssaal und äußerten für mich gut hörbar, dass der Fall für sie nun uninteressant sei. Viele der Beiträge des Journalistenduos sind inzwischen aus dem Internetangebot von rbb24 getilgt.
Während für rbb24 das Thema erledigt zu sein scheint, bleiben Vertreterinnen namhafter, überregionaler Tageszeitungen wider besseres Wissen bis heute bei ihrer Meinung in Bezug auf Gregor Seyffert und Ralf Stabel – möglicherweise auch, weil westdeutsche Tanzkritikerinnen vermutlich nicht vorstellen können, dass zwei Ostdeutsche Männer eine Institution auf internationales Niveau heben und zu Erfolgen führen können. Generell sehe ich in der gesamten Gemengelage auch ein Ost-West-Problem und einen Geschlechterkampf.
Vor dem Landesarbeitsgericht im Verfahren um Ralf Stabel benannte Richterin Oda Hinrichs das Verhalten der Senatsbildungsverwaltung „Rechtsmissbrauch“. In diesem Zusammenhang muss nicht zuletzt auch die Rolle der einst verantwortlichen SPD-Politikerinnen Sandra Scheeres und Beate Stoffers beleuchtet werden. Darf es sein, dass sich Politikerinnen durch Amstaufgabe oder Jobwechsel aus früheren Verantwortlichkeiten stehlen können? Fehlentscheidungen aufgrund einseitiger Betrachtung und Gutgläubigkeit, die nicht nur immense Kosten für die Steuerzahlenden hervorriefen, sondern Karrieren zerstörten und eine einzigartige Berliner Bildungsinstitution in die Mittelmäßigkeit zurückwarf, müssen Konsequenzen für die Verantwortlichen haben und dürfen nicht verjähren. Das fordern immer mehr Unterstützerinnen und Unterstützer der Initiative „Save the Dance“ – auch im Sinne des Vertrauens in die Politik und die Arbeit der Senatsverwaltung.
Konrad Hirsch ist Journalist und Geschäftsführer von Schamoni Film & Medien mit Sitzen in München und Berlin
Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat Prof. Dr, Ralf Stabel rehabilitiert und ihm bescheinigt, dass er die Staatliche Ballettschule Berlin „sehr erfolgreich geleitet und zu hohem internationalen Ansehen verholfen“ hat.
Dieser Schritt war notwendig, aber längst überfällig.
Es ist nicht hinnehmbar, dass die Senatsverwaltung nahezu vier Jahre brauchte, um festzustellen, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sich als gegenstandslos erwiesen haben. Gegenstandslos waren sie von Anbeginn.
Es ist nicht hinzunehmen, dass die Senatsverwaltung mehrere Wochen länger brauchte als bei seinem Kollegen Prof. Gregor Seyffert, um diesen Tatbestand zu erkennen.
Es ist nicht hinzunehmen, dass die Senatsverwaltung mehrere Gerichtsurteile ignoriert hat, die die Unrechtmäßigkeit der Kündigungen festgestellt haben.
Verwerflich ist der Formulierung, dass „der Eindruck entstanden ist, als seien dem ehemaligen Schulleiter fachliche und persönliche Verfehlungen vorzuwerfen“.
Es war nicht „der Eindruck, als seien“. Die Vorwürfe wurden als handfeste Tatsachen Grund für die Kündigung.
Der Schaden ist beträchtlich.
Die Staatliche Ballettschule ist in ihren Grundfesten so erschüttert, dass ein Tanzprogramm – wie auch immer – nicht auf die Bühne bringen kann.
Der finanzielle Verlust geht in die Millionen.
Die Biographien von Ralf Stabel und auch von Gregor Seyffert sind erheblich beschädigt.
Das Vertrauen in das Demokratieverständnis der staatlichen Behörden wurde auf eine harte Probe gestellt.
Und das Ergebnis:
„Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie bedauert, dass Reputation und Engagement von Prof. Dr. Stabel seinerzeit in Zweifel gezogen wurden und freut sich, die Zusammenarbeit kollegial und konstruktiv fortzusetzen.“
Ist das alles?
Prof. Dr. Peter Jarchow.
basierend auf den Schlüsselwörtern
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