Impressionen vom ersten Tag der tanzmesse nrw 2024

Verwandlung der Schwäne

Die tanzmesse nrw in Düsseldorf ist eröffnet

Im 30. Jahr seit der Gründung zieht die internationale tanzmesse nrw ein wahrhaft globales Fachpublikum an und bietet bei herrlichem Sommerwetter eine Plattform für neue Kooperationen und künstlerischen Austausch auf allen Ebenen.

Düsseldorf, 29/08/2024

Ein unverständliches Stimmengewirr erfüllt den Raum. Überall stehen kleine Menschengruppen im regen Austausch. Visitenkarten und Flyer werden herumgereicht. Am schwedischen Stand liegt ein Teller mit in der Hitze schon leicht schmelzender Lakritz-Schokolade. Bei einer niederländischen Kompanie, einen Stand weiter, türmen sich Stroopwaffeln, noch einen weiter kleine Cocktailtomaten. Tänzer*innen wirbeln über die unzähligen TV-Bildschirme. Haufenweise Logos, Slogans und Werbetafeln springen ins Auge. In 87 Ständen verteilt auf zwei Stockwerken informieren Tanzschaffende aus aller Welt über die Arbeit ihrer Kompanie, Region oder ihres Landes. Der erste Tag in der neuen AGORA der internationalen tanzmesse hat begonnen. Das alte Messegelände im NRW-Forum wurde zurückgelassen und die Stände nun am Bertha-von-Suttner-Platz, direkt am Düsseldorfer Hauptbahnhof aufgeschlagen. Weitaus weniger eng, und damit auch weniger lautstärkeintensiv sind die Räume, dafür aber auch schon vormittags angesichts der hochsommerlichen Temperaturen sehr aufgeheizt. 

So ist bei dieser 15. Ausgabe der internationalen tanzmesse nrw einiges anders, vieles aber auch wie gewohnt. So können die 1500 akkreditierten internationalen Fachbesucher*innen nach dem Besuch des Messegeländes vormittags am Nachmittag zahlreiche Einblicke in fertige Arbeiten sowie Ausschnitte diverser Tanzkünstler*innen gewinnen. 19 Produktionen, 27 Open Studios und 18 sogenannte Insights (ehemals Pitchings) verteilen sich auf die vier Messetage und Spielorte wie dem tanzhaus nrw, FFT Düsseldorf, aber auch auf neue Spielstätten wie der riesigen Mitsubishi Electric Halle (fasst bis zu 7500 Plätze!) und den öffentlichen Raum. 

Die feierliche Eröffnung der Messe wurde in diesem Jahr auf den Vorplatz des tanzhaus nrw verlegt. Eine gute Idee, angesichts der hochsommerlichen 30 Grad und der stickig-heißen Theaterräume. Während bei der 14. Ausgabe vor zwei Jahren noch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und die wiedergewonnene Freude, mit internationalen Kolleg*innen zusammenkommen zu können, überwogen hatten, standen die Eröffnungsreden an diesem Mittwochabend unter dem Zeichen der multiplen nationalen und globalen Krisen, die längst auch die kreative Szene erreicht haben. Angesichts der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am kommenden Sonntag mit ihrem drohenden politischen Nachbeben wirkt eine viertägige Austausch- und Netzwerkplattform, in der Tanzschaffende aus aller Welt zusammenkommen, sich unterstützen und zelebrieren, wie die Ruhe vor dem Sturm. 

Josef Hinkel, Bürgermeister der Stadt Düsseldorf, Heike Lehmke, Geschäftsführerin des nrw landesbuero tanz, sowie die beiden Ko-Leiterinnen der tanzmesse nrw, Isa Köhler und Katharina Kucher, nahmen in ihren Reden insbesondere Bezug auf die drohenden massiven Kürzungen für die Kulturbranche im Bundeshalt 2025 und betonten die essenzielle Bedeutung der performativen Künste für die Gesellschaft und das gemeinschaftliche Miteinander. Heike Lehmke dankte dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Düsseldorf für ihre Unterstützung angesichts dieser schwierigen finanziellen Lage und forderte gleichzeitig nachhaltigere Finanzierungsstrukturen für den gesamten Bereich der performativen Künste. 

Übergeordnete Themen, die die ausgewählten künstlerischen Beispiele sowie das Diskursprogramm bei der tanzmesse 2024 durchziehen, sind u.a. kulturelle Identität, Gemeinschaft, Migration sowie die Heterogenität von Körpern. Wie letzteres nicht nur behandelt, sondern am Ende zelebriert wird, zeigte sich direkt in der Eröffnungsvorstellung, „MAMELA’S HATCHED ENSEMBLE“ der südafrikanischen Choreografin Mamela Nyamza. Zunächst sitzt das zwölfköpfige Ensemble mit dem Rücken zum Publikum und fließt wie ein lebendiger Garten zum immergleichen sich wiederholenden sanften Sound des berühmten von Mikael Fokine für Anna Pavlova choreografierten „Sterbenden Schwans“ von Camille Saint-Saëns in Richtung der rechten Bühnenseite. Langsam gewinnt die Gruppe an Energie und tippelt auf Spitze wie ein Laufvogelschwarm durch den Raum, mal begleitet durch den Live-Gesang von Litho Nquay, mal untermalt oder kontrapunktiert durch den Live-Musiker Given „Azah“ Mphago. Die mit hunderten Wäscheklammern bestickten weißen Tüllröcke fliegen um die Körper der Tänzer*innen, während die mit Korsetten umhüllten roten Tüllrücke als überdimensionierte Kopfbedeckungen auf und ab hüpfen. Das multiple Spiel mit den Kostümen und die damit einhergehenden Energie- und Stimmungswechsel wirkt dabei für den (weißen) Autoren wie ein stetiges Changieren zwischen der Überzeichnung von exotisierenden und rassistischen Fremdzuschreibungen und genuiner Zelebrierung der eigenen Kultur. Vielleicht kein für eine Festivaleröffnung typisches Energiefeuerwerk, aber ein sehr ästhetischer Einstieg in das Programm der Tanzmesse, das Lust auf mehr macht. 

Die Tanzmesse geht noch bis Samstagabend und bietet neben dem Programm für akkreditierte Besucher*innen auch einige öffentliche Vorstellungen an – sogar noch heute Abend für: „Trailer Park“ von Moritz Ostruschnjak mit tanzmainz in der großen Mitsubishi Electric HALLE.
Infos unter https://www.tanzmesse.com/de/

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