Der Klassik-Glamour ist zurück
Erste Gedanken zur Bestellung von Alessandra Ferri als neue Ballettchefin des Wiener Staatsballetts ab Herbst 2025
Die designierte Wiener Ballettdirektorin zeigt klare Kante. In ihrer ersten Spielplanpressekonferenz, die Alessandra Ferri gemeinsam mit Staatsoperndirektor Bogdan Roščić bestritt, fällt gleich zu Beginn die Erklärung, dass nicht nur choreografische Tradition auf klassischer Basis, sondern auch visionäre Klassik von morgen ins Repertoire Einzug halten soll. Die Betonung liegt auf der Feststellung, dass es sich um ein klassisches Ensemble handelt, das zu den weltbesten zählen soll. Eine Beschreibung, die man gerne bestätigen will und ein Wunsch, der nachvollziehbar ist.
Die Standfestigkeit, wenn auch zuletzt Erstarrtheit, die das Dezennium von Manuel Legris (bis 2020) dem Wiener Staatsballett beschert hatte, war, auch durch die Covid-Pandemie bedingt, während der ersten Jahre des nun scheidenden Direktors Martin Schläpfer brüchig geworden: Bedingt durch Tänzerengagements und einer zu breit ausgelegten Anschauung von Tanzbarem in einem sehr schmalen produktionsbezogenen Korsett (u.a. Zeit, Räume). Die kreative Erneuerung, auf die gehofft worden war, blieb dann doch in dem keineswegs einfach zu managenden, sehr großen Hauptstadt-Ensemble mit Extradiensten in der Staats- und Volksoper überschaubar. Die Frage, wie eine solche in Zukunft aussehen könnte, wird in der ersten Spielzeit der Starballerina noch nicht beantwortet.
Rückkehr zum Verständnis eines klassischen Ensembles
Alessandra Ferri lässt das während der letzten fünf Jahre erstellte Repertoire weitgehend zur Seite, holt Errungenschaften wie Kenneth MacMillans „Manon“, Roland Petits „Fledermaus“ und George Balanchines „Jewels“ zurück, spielt „Giselle“ von Elena Tschernischova weiter, unter deren Fittichen sie einst am ABT getanzt hatte. Mit zwei Premieren in der Staatsoper – Alexej Ratmanskys abendfüllendem „Kallirhoe“ (Katschaturian; 2020 für das ABT) und dem Dreiteiler „Visionary Dances“ mit Arbeiten von Justin Peck, Wayne McGregor und Twyla Tharp sowie einer Sir Frederick Ashton gewidmeten Gala setzt sie auf bekannte Namen. Warum in der Volksoper nach Patrick de Banas „Marie Antoinette“ aus der Legris-Ära nun ein gleichnamiges Stück von Thierry Malandain kommt, erschließt sich weniger. Im Mehrteiler „American Signatures“ finden sich „Interplay“ von Jerome Robbins sowie Werke von Pam Tanowitz, Lar Lubovitch und Jessica Lang. „Peter Pan“ von Vesna Orlić und „Kaiserrequiem“ von Andreas Heise kommen wieder.
Die Rückkehr zum Verständnis eines klassischen Ensembles bestätigen die zahlreichen Engagements von erstklassigen jungen Tänzerinnen und Tänzern, darunter die zuerst im Mariinski-Theater, zuletzt wegen Putins Angriffskrieg in Tiflis tanzende Schweizerin mit ukrainischen Wurzeln Laura Fernandez Gromova, die ABT-Solotänzerin Cassandra Trenary, die Rückkehrerin aus München Madison Young, der 2022 aus Petersburg nach Amsterdam übergewechselte Brasilianer Victor Caixeta, der Erste Solist des Bayerischen Staatsballetts Antonio Casalinho, der Erste Solist Alessandro Frola aus Hamburg und der Erste Solist Kentaro Mitsumori vom Königlich Schwedischen Ballett. Insgesamt sollen es mehr als 30 Neue sein. Die Erneuerung der klassischen Struktur zeigt sich auch in der nun wieder klaren Ballettmeister-Hierarchie mit dem neu verpflichteten Marcelo Gomes (zuletzt Dresden) an der Spitze. Die Ballettakademie übernimmt Patrick Armand, der zuletzt die San Francisco Ballet School leitete.
Ihrem Vorgänger vorerst treu geblieben ist Alessandra Ferri (nur) in der Weiter-Verwendung des Logos und der Farbe Blau.
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