BAILA ESPAÑA
Start des Festivals für zeitgenössischen Tanz aus Spanien in Bremen
In „Resisting Bodies“ dreht sich alles um die uns innewohnende Widerstandskraft, die manchmal erst in Zeiten der Not sowohl geistig wie körperlich zutage tritt. Die Beharrlichkeit, Zähigkeit oder gar das Aufbegehren von Menschen, beispielsweise in Kriegszeiten, ist immer wieder bewundernswert.
Kraftvolle Energie
Dieser Tanzabend besteht aus zwei Teilen von zwei Choreograf*innen, die sich aus je einer anderen Perspektive und mit unterschiedlichen Gestaltungsideen dem Thema Widerstand annähern. Es beginnt mit „Fulgence“ (das Strahlende), der Arbeit von Samir Calixto, der damit bereits zum zweiten Mal mit OCN ein Stück entwickelt hat.
Hier macht sich das siebenköpfige OCN-Ensemble, vom ersten Moment an in einnehmend intensiver Weise, auf die Suche nach dieser menschlichen Kraft von Widerstand. Es beginnt mit einem schmalen Lichtstrahl auf die schwarz verdunkelte Bühne, in der zu einem tiefen, herzschlagähnlichem Puls, nach und nach ein Tänzer zu erkennen ist, der sich im Einklang mit dem Rhythmus bewegt. Der Lichtstrahl öffnet sich zu einem Kegel, in dem nun ein zweiter Tänzer Platz findet und auf sein Gegenüber reagiert - wie ein kraftvoller, sich annähernder Schatten. Wieder verengt und weitet sich der Lichtstrahl, eine Tänzerin kommt dazu. Nebel wird eingesetzt und zusammen mit dem Licht wirkt das Geschehen auf der Bühne bedrohlich, gleich einer Unterwelt.
Die Musik (zuerst Hird, dann Lumisokea und schließlich The Knife) ändert sich mit Klängen von Tropfen, Glocken und ein fernes Metallophon. Dazu agiert das mittlerweile vollständige Ensemble, gekleidet in eng anliegenden, schwarzglänzenden Anzügen, mit weit ausholenden, abwehrenden Bewegungen. Immer wieder stehen sie in tiefen Schrittstellungen, wie man es aus dem Kampfsport kennt. Choreograf Samir Calixto arbeitet auf beeindruckende Weise mit dem Raum. Da steht das Ensemble mal im hinteren Bühnenteil in einer Reihe, dann fliegen die Tänzer*innen plötzlich wieder auseinander, um sich in einer Diagonale quer durch den Raum wiederzufinden. Wie sie sich immer wieder neu im raschen Tempo aus großen Gruppenformationen zu kleineren sammeln oder vereinzeln, wirken sie wie Moleküle. Da stoßen sich Atome voneinander ab und finden wieder zueinander - sei es in Linien oder in geometrisch anmutenden Gebilden, die sich wie an einer langen Schnur gezogen, über den Tanzboden bewegen.
Die Bewegungssprache in „Fulgence“ ist überwiegend kraftvoll und energiegeladen. Oft wechseln abgehackte mit wieder fließenderen, rund ausholenden Bewegungen ab. Dazu wird immer wieder ein fast chorisches, rhythmisches Atmen eingesetzt, wieder ähnlich dem Kampfsport oder Yoga. Zum Ende kommt das ganze Ensemble in der Mitte zusammen und geht dann in hautfarbener Unterwäsche auseinander. Wie nach einer Häutung wirken sie am Ende wie verwandelt - von menschlichen Kampfmaschinen zu verletzlichen Wesen.
Verspielte Zerstörung
Ist der erste Teil des Abends mit Licht (Licht und Kostüme: Samir Calixto), Raumnutzung und Bewegungssprache sehr stringent durchstrukturiert, so geht Hannah Ma in „Who Brings the bird“ assoziativer, verspielter und mit mehreren parallel laufenden Elementen an die Arbeit. Es beginnt mit einem dreigeteilten Video einer zerstörten Stadt auf der Rückwand der Bühne. Wir sehen zerstörte Häuser im Hintergrund, vorne häuft sich Erde auf. (Damaskus 2025) Von der Decke hängen metallisch glänzende Platten. An den Bühnenseiten sind goldglänzende runde Scheiben zu sehen, die im runtergedimmten Licht wie Monde aussehen und dem rau und realistisch anmutendem Video eine märchenhafte Atmosphäre entgegensetzen.
Das Ensemble trägt helle Kleidung. Silberne Shorts, die an Sporthosen erinnern. Die Bewegungssprache der Tänzer*innen ist nun viel weicher. Im Verlauf ihrer Choreografie wechselt Hannah Ma - ganz wie ihr Bühnenbild es zeigt - zwischen zeitgenössischen und folkloristischen Elementen mit arabischen Anklängen. Kurz flammen Bilder, Gesten und Figuren aus dem orientalischen Bewegungsrepertoire der Ballets Russes auf bzw. aus dem historischen Ballettskandal „Le Sacre du printemps“ von Nijinsky / Stravinsky. Viele Bewegungen und Gruppenchoreografien entstehen aus liegenden oder auch sitzenden Positionen. Die Soundcollage von Tiguan Hamasyan ist so abwechslungsreich wie die ganze Choreografie. Werden die Klänge traumähnlich, kommt man dem Verständnis dieses vielschichtigen Stücks vielleicht ein wenig näher.
Denn alles wirkt wie ein vielschichtiger Traum, zusammengesetzt aus unterschiedlichen Erzählungen. Doch bleiben viele der Geschichten diffus oder ihr Inhalt verpufft durch das rasch folgende nächste Bild. Und am Ende ist man etwas ratlos, was genau hier erzählt werden wollte, und wer oder was das alles zusammenhält. Vielleicht die getanzte Figur des zarten jungen Vogels, der sich mit den ersten Versuchen des Fliegens müht?
Wie geht Resistance/Widerstand - sei es als konkreter und auch körperlicher Kraftakt oder als geistige Resilienz verstanden? Das fragt man sich nach diesem mitreißenden wie inspirierenden Tanzabend, der einige Antworten gibt; angefangen bei der Kraft von Zentrierung und Gemeinschaft über den Blick zurück in die Geschichte oder in die heilende Kraft der Phantasie, die uns auch in schweren Zeiten Flügel verleihen kann.
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