28. Internationales Solo-Tanz-Theater Festival 2024: Emma-Lynn MacKay-Ronacher mit „What She Saw“ 

Schlicht und ergreifend

In Heidelberg zu Gast: Solo-Tanz-Theater made in Stuttgart

Die Gewinner*innen des 28. Solo-Tanz-Theater-Festivals auf Tour in Heidelberg. Sechs Mal geht es zurück zu den Wurzeln des Tanzes, zum eigenen Körper und dessen Ausdrucksmöglichkeiten.

Heidelberg, 21/11/2024

Ein kleines Wort macht in diesem Jahr den Unterschied: wo in früheren Jahren eine „Gala“ angekündigt wurde, steht jetzt schlicht „Tour“ auf dem Programmzettel. Gemeint sind Preisträger*innen des Internationalen Solo-Tanz-Theaters-Festivals Stuttgart, die im Herbst auf Gastspielreise gehen. Ebenso gute Tradition – und beim Publikum längst als gefeierte Kultveranstaltung gehandelt – ist die Station in der Heidelberger Hebelhalle.

Natürlich sieht man an diesem Abend nur Herausragendes, aber die schlichte Ankündigung passt zur aktuellen 28. Ausgabe des von Marcelo Santos begründeten Festivals. Im Fokus stehen neue Bewegungssprachen und Ausdrucksformen im zeitgenössischen Tanz. Die Herausforderung ist Tanz pur – jedes Solo darf zwischen neun und zwölf Minuten dauern, auf einer schwarz eingerahmter Bühne ohne Kulissen oder aufwändige Requisiten; zusätzlich zur Bewegung stehen Ton, Licht und Kostüme als Gestaltungsmittel zur Verfügung. Längst ist dieses Festival in der Internationalen Tanzszene fest verankert.

Zurück zu den Wurzeln

Sechs Programmpunkte, drei grundverschiedene Tänzerinnen und drei Tänzer, sechs Mal zurück zu den Wurzeln des Tanzes, zum eigenen Körper und dessen Ausdrucksmöglichkeiten … 
Die drei ausgezeichneten Tänzer könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Italiener Davide Benigni (ehemaliger Tänzer bei James Sutherland in Kaiserlautern) hat die Bühnenpräsenz eines klassisch ausgebildeten Danseur Noble, auch wenn ihm die Ballettsprache allein nicht mehr ausreicht, um sich auszudrücken: „I feel that I‘m missing something but I hardly know what“. Durch seine improvisatorische Selbsterforschung schimmert das hohe technische Niveau durch. Das ist Garant für die Stabilität, die komplexe Bewegungsmuster überhaupt erst möglich macht.

Vitor Hamamoto (Brasilien) dagegen hat sich Breakdance mit Hilfe von Youtube selbst beigebracht. Dabei trieb es der als stark tätowiertes Muskelpaket auftrumpfende Tänzer allerdings zu einem herausragenden Niveau. Längst in der zeitgenössischen Tanzszene angekommen, richtet er seinen Ehrgeiz nicht mehr nur nach außen, sondern vermehrt nach innen und beschäftigt sich mit Improvisation. Zu selbst komponierter, meditativer Musik setzt er in „Missing names“ große Fragen nach dem Sinn des Lebens und dem Spielraum des Einzelnen in der Gesellschaft um – Breakdance wird vom Selbstzweck zu einem effektvollen Ausdrucksmittel.

Zwei Seelen wohnen in der Brust des Tänzers und Choreografen Gianni Notarnicola (Italien). In seinem Solo „KAMA“ spielt er gekonnt höchst witzig mit schwulen Show-Klischees und ist sich der Interaktion mit dem Publikum sehr sicher. Wenn er die schützende Sonnenbrille abnimmt, wird sein Alter Ego mit aller Unsicherheit und Verletzlichkeit sichtbar.

Fragiles Origami

In diesem Jahr überwiegen Choreografie und Tanz aus einer Hand. Auch die Gewinnerin des ersten Preises für Choreografie, Subin Cho (Korea), verleiht ihrem Gefühl, wie eine Marionette funktionieren zu müssen, selbst Gestalt. In ihrem Solo „Fragile“ geht die Selbsterforschung viel schlichter, aber ebenso ergreifend zu wie bei den männlichen Kollegen. Konsequent von den eigenen Ressourcen, das heißt von den Möglichkeiten ihres überaus beweglichen Körpers geht die Kanadierin Emma Lynn MacKay aus. Die Selbsterkundung fängt eigentlich logisch und doch sehr witzig bei den Füßen an.

Die Bewegungsstudie „Origami“ der Französin Aline Braun ist dagegen aus interdisziplinärer Zusammenarbeit mit der Tänzerin Sofia Scarpellini und dem Musiker Émile Morinière entstanden. Die japanische Faltkunst, die dem Stück den Namen gegeben hat, geht in minutiösen, logischen Schritten vor, um zu überraschenden Ergebnissen zu kommen – so auch diese Performance.

Wenn möglich, war das Programm noch puristischer, minimalistischer und einsamer als in den letzten Jahren. Bei der abschließenden Improvisations-Zugabe blieben die Einzelnen – anders als in den Jahren davor – strikt für sich.

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