Die Vielfalt des Tanzes

„Das große Tanzlexikon“, herausgegeben von Monika Woitas und Annette Hartmann

Nach 30 Jahren gibt es wieder ein deutschsprachiges Tanzlexikon. Nicht nur den Klassikern des Bühnentanzes widmet sich dieses mehr als 750 Seiten schwere Werk, auch Michael Jackson, Wasserballett und Dirty Dancing finden ihren Platz.

Basel, 29/03/2016

In elegantem Schwarz, ins Sphärische gleitend durch den weißen Tüllrock einer Tänzerin, die schemenhaft auf Cover und Buchrücken zu schweben scheint, präsentiert sich „Das große Tanzlexikon“ von Monika Woitas und Annette Hartmann. Die beiden an der Ruhr-Universität Bochum beheimateten Theater- und Tanzwissenschaftlerinnen haben in mehrjähriger Arbeit das erste deutschsprachige Tanzlexikon seit 30 Jahren vorgelegt.

„Tanzkulturen, Epochen, Personen, Werke“ heißt es im Untertitel des mehr als 750 Seiten umfassenden und mit zahlreichen Abbildungen versehenen Kompendiums, das die vorherrschende Fokussierung auf den europäisch-amerikanischen Bühnentanz aufbrechen will. Denn zum Tanz gehört viel mehr als Schwanensee, Balanchine, Wuppertal und Kontaktimprovisation. Ein großes und kaum zu bewältigendes Ziel haben sich die zwei Herausgeberinnen damit gesetzt: „das Phänomen Tanz in seiner globalen wie auch historischen Dimension zu erfassen.“ Haben sie es am Ende auch nicht ganz erreicht, handelt es sich dabei ohnehin praktisch um eine Unmöglichkeit, so sind sie ihm doch ganz schön nahe gekommen.

Über 600 Einträge von mehr als 80 AutorInnen, ganz klassisch nach dem Alphabet sortiert, befassen sich mit Themen von „Aborigines“ über „Choreographenkollektiv“ und „Les Noces“ bis hin zu „Zwiefacher“ mit den unterschiedlichsten Gattungen, Stilen, Epochen und Erscheinungsformen von Tanz. Auch (tanz)wissenschaftliche Themen wie „Rekonstruktion“ oder „Notation“ fehlen nicht. Als AutorInnen konnten Woitas und Hartmann nicht nur die großen Namen der deutschsprachigen Tanzwissenschaft versammeln, auch ExpertInnen aus anderen Fachgebieten wie der Ethnologie, der Musikwissenschaft, der Pädagogik, der Medizin und der Ritualforschung, sowie fortgeschrittene Studierende der Ruhr-Universität Bochum haben zu dem sehr übersichtlich aufgebauten Lexikon beigetragen. Internationale ExpertInnen aus nicht deutschsprachigen Ländern sucht man allerdings vergebens. Bei einem rein akademischen Nachschlagewerk würde dies sicher als Mangel angekreidet werden können, doch „Das große Tanzlexikon“ richtet sich in erster Linie wohl nicht nur an ein tanzinformiertes Fachpublikum. Vielmehr zeigt sich hier ein Buch, das sich an eine breite, tanzinteressierte Leserschaft wendet. Genau das ist seine Stärke!

Gut lesbar sind die einzelnen Artikel, die Literaturhinweise übersichtlich und die Vielzahl unterschiedlicher Stichworte lädt zum Stöbern ein. Hier kann man gut und gerne mal einen Artikel mehr lesen, von „Fanny Elßler“ mal schnell zu „Eistanz“ springen und so bei ganz neuen Themen hängenbleiben. Hilfreich und sehr informativ sind die am Ende als Anhang gesammelten Informationen zu Tanzinstitutionen, Tanzarchiven, Tanzzeitschriften und Studiengängen rund um Tanz (Tanz, Choreografie, Tanztherapie, Tanzpädagogik...). Auch die zehnseitige nach Epochen und Themen sortierte Auswahlbibliografie ermöglicht einen guten Einstieg in unterschiedlichste Bereiche – und das nicht nur für Tanzstudierende.

Dass dieses Lexikon die großen Enzyklopädien wie die International Encyclopedia of Dance, Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters oder den MGG-Prisma-Band „Tanz“, nicht ersetzen wird, ist klar. Auch Reclams Ballettführer oder andere werkbezogene Nachschlagewerke bleiben hier außer Konkurrenz, da gerade die Auswahl an Werken, ChoreografInnen und TänzerInnen eher subjektiv erscheint. Doch aufgrund seiner Themenvielfalt, der Breite des angesetzten Tanzverständnisses und seinen zahlreichen weiterführenden Anregungen sollte dieses Lexikon in keinem gut sortierten Bücherschrank fehlen. Und es kann sicher nicht schaden, es an einen griffbereiten Platz zu stellen.

Woitas, Monika & Hartmann, Annette (Hrsg.): Das große Tanzlexikon. Tanzkulturen, Epochen, Personen, Werke, Laaber: Laaber, 2015, XVIII/756 Seiten mit 145, z.T. farbigen Abbildungen, ISBN 978–3–89007–780–2, Geb. € 98,–

 

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