Die Entscheidung ist gefallen
Adolphe Binder wird Intendantin des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
Die Entscheidung des Beirates, mich mit sofortiger Wirkung von meinen Aufgaben als Künstlerische Leiterin und Intendantin des Tanztheaters Wuppertal-Pina Bausch zu entbinden, von der ich zuerst über Pressevertreter erfuhr, habe ich mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Dieser Entschluss dient nicht der Zukunft des Tanztheaters. Die von der Geschäftsführung (GF) gegen mich erhobenen -mir nur teils offiziell bekannten- Vorwürfe sind unhaltbar und rechtfertigen keine Kündigung. Der Vollständigkeit halber möchte ich ergänzen, dass ich bereits im vergangenen Jahr unter Einbeziehung der verschiedenen Abteilungen des Tanztheaters einen Spielplan für die Spielzeit 2018/19 erstellt habe, der der GF seit Monaten und auch dem Beirat seit Juni vorliegt. Schwerpunkt ist das 10. Todesjahr von Pina Bausch mit diversen Wiederaufnahmen von Pina Bausch und anderen Choreographen, Neueinstudierungen länger nicht gezeigter Stücke und die Fortsetzung des in dieser Spielzeit begonnen Feuer & Flamme Partizipationsprojektes. Die Vorstellungen sind von den Veranstaltern teilweise angekündigt und Karten werden aktuell für Wuppertal, Tel Aviv, Sao Paulo, London, Paris und Antwerpen verkauft. Gastverträge für diverse Highlights in Wuppertal sind lange fest verabredet und von der GF bestätigt.
Seit meiner Berufung haben die Tänzer*innen, das Team und ich erfolgreich und mit großem Respekt füreinander zusammengearbeitet. Trotz enormer Hindernisse und fehlender Unterstützung durch die GF ist es gelungen, zwei Uraufführungen entwickeln, die national und international große Beachtung gefunden haben, in Wuppertal, Oslo und Amsterdam mit „Standing Ovation“ gefeiert wurden und bei den Koproduzenten und der internationalen Szene großen Zuspruch gefunden haben. Hinzu kommen Neueinstudierungen, neue Formate und Programmreihen, die Gewinnung neuer Partner und Mittel. Die Arbeit und das Werk der Choreographin Pina Bausch lebt, ist vital und wird nun bereichert. Das Ensemble hat seine Weltgeltung behauptet. Es war stets mein Ziel den Künstlern und der Kunst einen ehrlichen Echo Raum und eine produktive Plattform zu bauen. Neues schaffen, teilhaben lassen heißt auch unsicheres Terrain betreten: Eine Neubegegnung und ein Kraftakt, der nach Transparenz und Inspiration verlangt. Die Auslastung liegt über 90 Prozent, wir haben uns der nächsten Generation zugewandt, uns der Stadt geöffnet, internationale Metropolen begeistert, sind diverse Kooperationen eingegangen, haben neue Partner und frische Mittel gefunden. Die Sichtbarmachung unserer Prozesse, auch im Hinblick auf neue Publika, unsere Exzellenz-Förderung bei gleichzeitiger Verfolgung experimenteller und innovativer Ansätze wurden in der interkulturellen Arbeit neu verankert. Am 12. Juli wurde das Ensemble für die Bessie Awards für die neubesetzte Frühlingsopfer- Produktion in New York nominiert, andere saison-relevante Nominierungen werden demnächst publiziert. Es erstaunt schon, dass der Beirat in seiner Erklärung lediglich bereit ist, diese Arbeit als „künstlerische Impulse“ der Intendantin zu würdigen. Der künstlerische und kommerzielle Erfolg hat aber offenbar bei der Entscheidung, mich zu entlassen, keine Rolle gespielt.
Auch unter den schwierigsten Bedingungen hat das Ensemble bis zur letzten Vorstellung der Spielsaison (12. Juli) in Paris Leistungen auf höchstem künstlerischem Niveau erbracht. Es war immer und ist auch weiterhin handlungsfähig. Tanzkunst ist nur als Ensemblekunst denkbar. Ich bin stolz darauf, dass es mir gelungen ist, gemeinsam mit der Tänzerschaft, dem Repertoireteam, den Probeleitern etc. eine Atmosphäre zu schaffen, in sich Führungskompetenz mit kreativer Teamarbeit verbunden hat.
Der Geschäftsführer Dirk Hesse hat sich von Beginn an geweigert, die durch die Berufung einer Intendantin neu-geschaffene künstlerische Leitung zu akzeptieren und diese transparent in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Statt die künstlerische Qualität und die künstlerische Weiterentwicklung des Tanztheaters in den Vordergrund zu stellen, wurde die Demonstration des Weisungsrechts des mir vorgesetzten Geschäftsführers zum zentralen Handlungsmotiv. Meine Arbeit wurde laufend behindert, Auskünfte zum Etat sowie eine Kooperation wurden mir verweigert und ich wurde persönlich diffamiert und herabgesetzt.
Der ungeregelte, sich widersprechende Zustand, dass nämlich die Intendanz zwar das alleinige Entscheidungsrecht in allen künstlerischen Angelegenheiten haben soll, während doch sämtliche Kompetenzen unbegrenzt nur bei der GF liegen, wird leider bis heute von der Stadt als Eigentümerin des Tanztheaters geduldet. Eine die Leitungsaufgaben klarstellende Geschäftsordnung, die an jedem Theater üblich ist und die es auch bei der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH früher gegeben hatte, wurde ohne Begründung seitens der Stadt und des Beirats nicht erlassen. Es kann wohl angenommen werden, dass eine angemessene Geschäftsordnung sowohl der Geschäftsführung als auch der Intendanz in der Leitung des Tanztheaters geholfen hätte. Die vom Beirat und dem Kulturdezernenten Herrn Nocke in Aussicht gestellte Neustrukturierung des Tanztheaters ist zu begrüßen. Sie hätte aber vor der Schaffung der Position einer Intendanz und meiner Berufung erfolgen müssen und war von mir als Intendantin seit Frühjahr 2016 immer wieder gefordert worden.
Der Beirat setzt mit der Entscheidung sich von mir zu trennen, ein fatales Zeichen. Nicht die Kunst, also die Tänzer*innen und die künstlerische Leitung und Intendanz sollen den erfolgreich begonnenen Weg fortsetzen, sondern die kaufmännische Geschäftsführung bestimmt die künstlerische Zukunft des Tanztheaters. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Seit meiner Berufung im Februar 2016, zu der es aufgrund des Vorschlages einer Findungskommission, der auch Alistair Spalding angehörte, kam, habe ich alles getan, um gemeinsam mit den Tänzer*innen und den anderen Mitarbeiter*innen des Tanztheaters Neues zu erarbeiten und Altes lebendig und auf höchstem Niveau zu bewahren. Diese Arbeit mit dem großartigen Ensemble und für das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH wollte ich fortführen und bin deshalb nicht auf das Verlangen der Stadt und der GF, die schon seit Monaten eine Vertragsauflösung von mir fordern, eingegangen.
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