Crankos Erbe
Das Stuttgarter Ballett trauert um Dieter Graefe
Schön, den renommierten Preis an eine Tänzerin vergeben zu sehen, die mit ihren deutschen Engagements, erst beim Stuttgarter Ballett und dann an der Deutschen Oper Berlin, nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht hat. Nicht mit dem Publikum und den Kritikern (da sind sich beide ausnahmsweise hundertprozentig einig), die sie augenblicklich in ihr Herz geschlossen haben und ihr das bei jeder Gelegenheit beweisen, wie sehr sie sie schätzen (in Stuttgart zuletzt, als sie, schon nicht mehr Mitglied der Kompanie, bei der Benois-Gala über alle ihre Kollegen triumphierte und mit einem Blumenregen überschüttet wurde, wie ihn die Stuttgarter Ballettfans nur auf ihre auserkorenen Lieblinge herabregnen lassen). Wohl aber von ihren jeweiligen Direktionen.
Könnte es sein, dass sie denen einfach intellektuell überlegen ist, dass sie sich – ein Produkt der angelsächsischen Erziehung in den Schulen mit ihren Debattierclubs – in den ja nicht ausbleibenden und auch erwünschten künstlerischen Auseinandersetzungen mit ihren Argumenten rhetorisch besser behaupten kann und ihre Chefs einfach dadurch in Verlegenheit bringt? Denn denen nach dem Munde zu reden und einfach klein beizugeben – wie es im Ballett leider noch allgemein üblich ist –, ist natürlich ihre Sache nicht. Und an Ballerinen von ihrer intellektuellen Brillanz sind manche Direktoren in ihrer autoritären Selbstgewissheit nicht gewohnt.
Es wäre schade, wenn sie unserem Ballett verlorenginge. Für eine Ballerina von ihrem Format wäre es natürlich wünschenswert, sie mit einem dauerhaften Engagement an eine Kompanie gebunden zu sehen, statt sich mit Gastauftritten hier und da zu verzetteln. Unseren Glückwunsch also nach Berlin – und die Hoffnung, dass sie ihren Balanchine, Ashton, Cranko oder MacMillan finden möge – er könnte von mir aus auch ruhig Spoerli, Neumeier oder Scholz heißen!
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