Niemand ist eine Insel
Zum Tanzabend „My Island“ von Stephan Thoss in Mannheim
Erst einmal Boden unter die Füße. Mannheims neuer Ballettchef Mark McClain sucht und plant.
Das entscheidende Telefonat habe nur knapp drei Minuten gedauert, erzählt Mark McClain. Der Mannheimer Intendant Ulrich Schwab hat ihn vor drei Wochen in New York angerufen und ihn gefragt, ob er dazu bereit sei, für wenigstens ein Jahr die Ballettcompagnie des Nationaltheaters zu leiten, ob er für den 3. November einen neuen Ballettabend zusammen stellen könne und ob er mit den bisherigen Tänzern der Truppe arbeiten wolle. McClain: „Ich habe drei Mal ja gesagt, dann haben wir uns gegenseitig bedankt und aufgelegt.“ Da haben sich zwei gesucht und gefunden. Nachdem Schwab den langjährigen Mannheimer Ballettchef Philippe Talard, übrigens ein alter Bekannter McClains, vor wenigen Wochen wegen einer angeblichen Finanzaffäre fristlos entlassen hat, ist er fieberhaft auf der Suche nach einem Nachfolger. Und der ehemalige Publikumsliebling Mark McClain, der seit seinem unfreiwilligen Weggang aus Stuttgart vor allem als freier Choreograf und Ballettmeister tätig war, wünscht sich bereits seit einiger Zeit etwas mehr Stetigkeit in seinem Leben. Ruhe hat er sich mit seinem neuen Job allerdings nicht eingehandelt.
„Ich kenne die Compagnie lediglich von einigen Aufführungen“, sagt er, „und habe deshalb noch keine richtige Vorstellung davon, wo ihre Stärken und Schwächen sind. Deshalb bin ich auch mit meinen Planungen sehr vorsichtig.“ Die Truppe wird bereits am Montag, eine Woche früher, aus den Ferien zurückkehren. Dann beginnt das Kennenlernen. An Kündigungen denkt McClain zunächst nicht. Er will vor allem Ruhe und Zuversicht verbreiten. Bisher hat er von den Choreografen Philippe Lizon, der in Stuttgart in erster Linie durch die Einstudierung von Béjart-Balletten ein Begriff ist, und Antonio Gomez Zusagen für neue Stücke. Beide sind erfahren darin, mit fremden Tänzern zu arbeiten. Uwe Scholz will helfen, wie auch immer, McClain will selbst choreografieren, und er wird sich den ehemaligen Stuttgarter Star Benito Marcelino mit dem Karlsruher Ballett als Gastsolisten teilen. Soviel ist sicher.
Und McClain lässt seine weltweiten Verbindungen spielen, was wegen der Urlaubszeit noch einigermaßen schwierig ist. „Allein gestern habe ich sechs Stunden lang telefoniert“, erzählt er lachend, „das geht alles Hals über Kopf und will doch gründlich überlegt sein. Unerhört aufregend.“ Ihm schwebt möglichst bald ein Strawinsky-Programm vor, für das er sich Scholzens „Septett“ wünscht, vorausgesetzt, er findet in seiner neuen Truppe fünf Damen und zwei Herren, die das schultern können. Aus der vergangenen Spielzeit sind in Mannheim nur noch elf Tänzer übrig geblieben. Diese Zahl will der neue Ballettchef auf mindestens zwanzig erhöhen. „Vielleicht finde ich genügend gute Eleven oder Akademie-Studenten“, hofft er.
Darüber, ob er über dieses eine Jahr hinaus in Mannheim bleiben dürfe oder wolle, mache sich McClain zurzeit noch überhaupt keine Gedanken: „Ich muss jetzt erst einmal mir und der Truppe Boden unter den Füßen verschaffen. Wenn das funktioniert, und wenn ich weitere gute Choreografen finde, woran ich jedoch auf Grund der bisherigen Gespräche nicht zweifle, dann sehen wir weiter.“ Außerdem komme es nicht nur darauf an, was er von seinen Tänzern hält, sondern auch darauf, ob sie mit ihm arbeiten können. Und: „Ich kann kaum abwarten, dass es endlich Montag wird.“
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