Robert Wilson inszeniert „Die Walküre“

oe
Zürich, 27/05/2001

Von allen internationalen Regisseuren der Top-Liga ist der Amerikaner Robert Wilson der choreografisch ambitionierteste, geprägt durch seine frühe Freundschaft mit Edwin Denby, dem 1983 verstorbenen Doyen der amerikanischen Ballettkritiker. Wilson hat in der Vergangenheit immer wieder mit Lucinda Childs zusammengearbeitet, eine der Pionierinnen unter den Minimalistinnen des Modern Dance. In Zürich hat er im Herbst mit der Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ begonnen – ohne choreografische Assistenz – und mit dem total durchstilisierten „Rheingold“ quasi ein Gegenstatement zu Stuttgarts viel diskutiertem, ausgesprochen realistisch orientiertem „Ring“ geschaffen – und überzeugt (mich zumindest).

Ein gleicher Erfolg war ihm jetzt mit der „Walküre“ nicht vergönnt. In die Götterwelt des „Rheingold“ brechen in der „Walküre“ mit Siegfried, Sieglinde und Hunding vehement die Menschen ein, und an deren menschlichen Konflikten scheitert Wilson mit seiner choreografischen Zeitlupenstilisierung total. Wenn Siegmund und Sieglinde sich nicht einmal berühren dürfen, allenfalls ihre gespreizten Finger zu einer luftplastischen Häkelei ergänzen, verliert die Handlung jegliche Glaubwürdigkeit, gerät sie in die Sackgasse eines hochgradigen Manierismus.

Was übrigbleibt, sind ästhetisch oft bestechend komponierte Solo- und Gruppenarrangements vor betörend schönen Farblichtspielen, in denen die Requisiten (Speere, Schwerter, Schilde) Logo-Funktion haben. Ja, man kann so weit gehen, zu sagen, dass Wilson mit einer ganz unglaublichen Sensibilität die Musik choreografiert – allerdings nicht als Aktion eines Zusammenstoßes zwischen Göttern und Menschen, sondern als Son-et-Lumières-Spektakel. Wem das genügt, der kommt in Zürich voll auf seine Kosten (zumal da die Aufführung auch beträchtliche musikalische Meriten bietet). Die anderen verlassen das Haus nach fünf Stunden freilich mehr oder weniger frustriert.

Zu nächtlicher Stunde im Hotel via TV im Kulturreport aus Leipzig ein hochinteressanter Beitrag über die Connection zwischen dem funkelnagelneuen Isadora-Duncan-Institut in Athen und der Palucca-Schule in Dresden – und in der „Klanghotel“-Serie des Schweitzer Fernsehens ein gut anderthalbstündiges, faszinierendes Porträt über Merce Cunningham – weitere Ausstrahlungen dringend erwünscht!

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