Die Noverre-Gesellschaft präsentiert junge Choreografen

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Stuttgart, 30/05/2002

Auch in anderen Städten gehören die Werkstattveranstaltungen mit jungen Choreografen inzwischen zum Pflichtpensum einer Kompanie, die auf sich hält. Doch dass ein solches Programm an fünf aufeinander folgenden Abenden (und nicht etwa in einer Matinee) vor ausverkauftem Haus stattfinden kann, das bringt nur die Stuttgarter Noverre-Gesellschaft Freunde des Balletts – seit 1958 (!) Vorreiter dieser Unternehmungen – zu Stande: So geschehen in diesen Tagen im Kammertheater. Dort zeigten neun Junioren ihre jüngsten Arbeiten – und auch darin zeichnen sich Fritz Höver und seine Noverre-Equipe aus, dass sie nicht nur auf das Reservoir des Stuttgarter Ballett zurückgreifen, sondern immer wieder auch auswärtige Gäste einladen – so diesmal aus Wuppertal Marco Goecke, aus Karlsruhe Hugo Vieira und aus Wiesbaden Dimitrij Simkin.

Und wenn es auch diesmal keinen neuen Neumeier, Kylián oder Forsythe zu entdecken gab, so war das Gesamtniveau ihrer Kreationen doch beachtlich. Eigentlich waren nur zwei Stücke darunter, von denen außer ihrer Banalität kaum etwas in Erinnerung geblieben ist: das herzlich konventionelle „David‘s Law“ von Alejandro Cerrudo Martinez und Simkins „Ein Nachspiel“ als Epilog zu „Schwanensee“, das ich nicht einmal lustig, sondern bloß albern fand – und selbst die wurden noch durch einzelne Tänzerleistungen halbwegs gerettet (Martinez vor allem durch Katja Wünsche und Simkin durch den unverwüstlichen Eric Gauthier, der zuvor schon in Simkins halbseidenem Solo „Only You“ reüssiert hatte).

Interessanter war da schon Slava Gepners „Ein trauriger Abschied“, ein Ballett für fünf Männer (wieder einmal in transparenten Krinolinen – das mag man schon gar nicht mehr sehen), die uns hauptsächlich in ihren Rückenansichten präsentiert wurden). Vieiras tristes Solo „Points of You“ für Sonoko Hashimoto fand ich durch seine ständigen Blackouts zu zersplittert, Corinna Spieths „Ein kurzes Stück“ im Gegensatz zu seinem Titel viel zu lang (trotz seiner sehr beeindruckenden expressiven Interpretation von Sarah Grether, die offenbar großen Kummer mit ihrem Rock hatte).

Goeckes Sieben-Tänzer-Choreografie „Demigods“ ging mir wegen ihrer Lautstärke gründlich auf die Nerven (offenbar bin ich zu alt, um für solche Klangbombardements gewappnet zu sein), aber ich gestehe ihr gern ihre groteske, zappelzackige Eigenständigkeit zu – nicht zuletzt wegen der Breakdance-Episode für Özcan Cosar. Gefallen hat mir Alexander Makaschins witziges traumatisches „Recital“ für zwei Tänzerpaare und Alexander Zaitsev, den seine Discoerfahrungen offenbar bis in den Schlaf verfolgen.

Das lässt – immerhin – zwei Arbeiten übrig, die ich gern einmal wieder sehen würde. Die eine stammt von Peter Quanz, dem so ungewöhnlich choreografieambitionierten kanadischen Volontär des Stuttgarter Balletts und nennt sich „Ich bin Du“ – was trotz aller Anstrengung weder Katja Wünsche noch Jiri Jelinek mit ihren Integrationsversuchen gelingt, so sehr ihnen ihre vier Kollegen dabei auch Hilfestellung leisten. Das ist eine schön flüssig choreografierte Studie, in der Wünsche hoch über den Köpfen ihrer Partner wie eine Königin der Lüfte schwebt.

Das reichste und reifste Stück ist das Solo „No Exit“, das Lior Lev für sich selbst choreografiert hat – als Duo mit seinem Video-Alter-Ego. Dabei handelt es sich um einen verzweifelten Ausbruchsversuch aus einer selbst verschuldeten oder schicksalsverhängten Isolation, der durch die israelische Herkunft von Lev beklemmend an Adelbert von Chamissos Peter Schlemihl erinnert, diesen armen Helden, dessen jiddischer Name so viel wie Pechvogel bedeutet.

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