Ein Ermöglicher
Ein Nachruf auf Rainer Woihsyk
Wenn es einen Menschen gab in diesem Land, der etwas für den Tanz tat und vor allem aktive Hilfe dabei geleistet hat, kreativen jungen Menschen auf ihrem Weg zu helfen, dann ist es Fritz Höver, der Kopf der Noverre-Gesellschaft in Stuttgart. Und es fällt mir nicht leicht, sofort von mir zu geben, was ich empfinde. Vor allem fühle ich mit Rainer Woihsyk, durch den ich Fritz richtig kennen gelernt habe. Wenn wir uns in letzter Zeit getroffen haben, als es Fritz schon nicht mehr so gut ging, und er nicht mehr nach außerhalb reisen konnte, versuchten wir wie vernünftige Menschen zu analysieren, wie man sein Leben weiter gut gestalten könnte. Der endgültigen Tatsache ins Auge blicken müssen, ist jedoch eine andere Sache!
Als Anfang der 1960er Beriozoff auf dem Sprung war, Stuttgart wieder zu verlassen, hatte er das Gefühl, man müsse der von Fritz Höver so geliebten Sparte des Theaters eine Lobby schaffen, auf dass sie im „Winter Bayreuth“ nicht wieder unter die Räder geriete. Eine Schar um ihn gründete deshalb die Noverre-Gesellschaft, die fortan und eigentlich sehr leise Einfluss auf das Ballettleben in Stuttgart nahm. Mit der glückhaften Übernahme der Ballettdirektion durch John Cranko wurden sich die beiden einig, dass mit einem Junge-Choreografen-Abend eine Institution geschaffen würde, bei dem junge kreative Köpfe sich ausprobieren könnten und vor einem größeren Publikum austarieren sollten, wohin sie das führen könnte. Die Organisation dieser Vorstellung, stets in Verbindung mit den Staatstheatern, hat Höver so manche schlaflose Nacht gekostet. Aber es hat sich immer gelohnt. Aus diesen ersten Gehversuchen sind Choreografen von Weltbedeutung gestartet, um nur einige zu nennen: John Neumeier, Billy Forsythe, Jiří Kylián und Uwe Scholz, der auch schon nicht mehr unter uns weilt. Noch vor ein paar Wochen erst fand eine Premiere mit neuen jungen Aspiranten statt, die uns wohl anderwärts wieder begegnen werden.
In den Jahren, als ich „Jungchoreograf“ allerdings mit Chefsessel war, haben Fritz, Rainer und ich beschlossen, dass es doch schade sei, wenn diese großartigen Abende nach nur einer Vorstellung wieder in der Versenkung verschwänden und so kam es, dass fortan eine Wiederholung im Ulmer Theater stattfand. Marcia, Ricky und das große Ensemble setzten sich also in den Bus, machten sich in unserem Ballettsaal warm und brachten mit „Urlicht“, dem ersten Stück von Forsythe, oder „Haiku“ von Neumeier oder Scholz' symphonischen Balletten dem Ulmer Publikum den Duft der großen Ballettwelt nach Hause. Und die Ulmer waren aus dem Häuschen. Es war die Zeit nach Crankos plötzlichem Tod und auch in Stuttgart gedieh Unfriede darüber, wie das Ballettwunder dort weitergehen sollte. Mit der Gründung der Cranko-Gesellschaft bekam die Noverre-Gesellschaft Konkurrenz, da sich diese auf die Fahnen schrieb, das Erbe hochzuhalten und einen Preis erfand. Aber Fritz empfand Konkurrenz als Ansporn weiter zu machen und möglichst noch besser zu werden, was rundherum gelang. Selbst der Übergang, als er sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen wollte, ging ohne Hässlichkeit vonstatten. Nicht zuletzt, da Rainer Woihsyk sich seitdem darum kümmert, dass alles in gewohnten Bahnen ohne viel Aufhebens weitergeht.
Und eines kann uns trösten: er wird dafür sorgen, dass das Andenken an diesen starken Mann, ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Deutschen Tanzpreis, erhalten bleibt. Fritz griff jenen unter die Arme, die wichtige Schritte gehen wollten, und das machte er nicht oben im Rampenlicht, sondern aus dem Dunkel des Zuschauerraums, damit das da oben im Licht weiter aufregend bleibt.
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