Margaret Illmann in Stuttgart

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Stuttgart, 04/06/2002

Nein, nein – dies ist keine Happy-News-Meldung über eine Rückkehr Margaret Illmanns zum Stuttgarter Ballett – da wird bekanntlich, sehr gegen den Willen der lokalen (und überregionalen) Fans gehandelt, vor allem von der Stuttgarter Ballettdirektion, die im Falle Illmann so wenig Einlenkungswillen und Versöhnungsbereitschaft bekundet wie der sture Herr Möllemann.

Und so wird es, zumindest für absehbare Zeit, wohl keine Rückkehr, nicht einmal als Gast, zu der Kompanie geben, die sie in Europa bekannt gemacht hat. Dass sie sich da in guter Gesellschaft weiß, ist ihr nur ein schwacher Trost – denn die mächtigen Cranko-Erben verweigern nicht nur ihr, sondern auch noch ein paar anderen Stars (jeder darf raten, wer denn damit nun gemeint ist) Auftritte in Cranko-Balletten und drohen offenbar jeder Kompanie mit dem Entzug von Aufführungsrechten, die es wagt, dieser – nennen wir es einmal sanften Nötigung – zu trotzen.

Nein, die gefeierte Ballerina ist für ein paar Tage nach Stuttgart gekommen, um hier für ihren nächsten Auftritt zu proben: mit Jean-Christophe Blavier und Chiara Tanesini für deren spektakuläre Produktion von „Dolomytica“, die am 13. und 14. Juli in Bozen Premiere hat und dann am 16. und 17. auch in Innsbruck zu sehen sein wird. Die Proben für diese Hommage an Tirol befinden sich in einem frühen Stadium, und so kann sie mir noch keine Auskunft darüber erteilen, ob denn da nun der berühmt-berüchtigte „Ötzi“ sein Ballettdebüt feiern wird (sich vorzustellen, dass Reid Anderson dabei in der Rolle des Ötzi als Gast auftreten könnte ...!)

Ich benutzte die Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihr – und bin hinterher so erschöpft, als wenn ich fünf Stunden „Parsifal“ (bekanntlich meine Lieblingsoper) durchlitten hätte. Denn ihrem Temperament bin ich einfach nicht gewachsen (da dämmert mir immerhin, wie schwer es manche Ballettchefs haben mögen, sich gegen ihre übersprudelnde Eloquenz zu behaupten). Unsere zweistündige Tour d‘horizon durch das Weltballett gleicht einer Turbo-Jet-Expedition mit Start in Stuttgart, Stippvisiten in Berlin, Wien und Sydney, während wir aus luftiger Höhe auch auf New York, Toronto, London, Mailand, Rom, Hamburg, Essen, München und Zürich herabblicken.

Sie wird also ihren europäischen Wohnsitz nach wie vor in Berlin beibehalten und zwischen der deutschen Hauptstadt, die ihr inzwischen doch sehr ans Herz gewachsen ist, und Sydney (ihr nächster Job dort: „Schwanensee“ in einer Neuproduktion von Graeme Murphy beim Australian National Ballet) hin und her pendeln – mit Gastauftritten in den Wiener Klassikern (wo sie Zanellas „Spartakus“ vor allem wegen der technischen Effizienz der Bühnenmaschinerie bewundert – und im Gegensatz zu mir auch die Süffigkeit von Chatschaturjans Musik).

Ja, auch sie könnte wohl sagen: Ich bin eine Berlinerin – kein Wunder, wenn man bedenkt, wie sehr sie sich vom Berliner Publikum geliebt weiß (offenbar weniger von den Intendanten, die ihr keine klare Auskunft über ihre ballettästhetischen Zielvorstellungen erteilen können und sie an ihre Ballettdelegierten verweisen, die aber auch eher herumdrucksen). Sie bewundert die Vitalität des Aufbruchs der Stadt in ihre Zukunft als europäische Kapitale – und beklagt die Verschwendung der vorhandenen tänzerischen Ressourcen und die Macht- und Grabenkämpfe zwischen den lokalen Tanzmatadoren, wenn sie denn überhaupt einander zur Kenntnis nehmen (wie neulich, endlich – und da wird sie noch beredter als sie ohnehin ist, bei der von „Europe´s Leading Dance Magazine“ veranstalteten Tänzerparty im Haus der Kulturen der Welt).

Unmöglich, hier auch nur zu erwähnen, über wen wir alles in diesen zwei Stunden gesprochen haben – über Malakhov natürlich, Bayard, Li, Mussbach, Zimmermann, Brunner, die Stuttgarter Fernsteuerer, Zanella (samt Klöckl und Oberzaucher), Brunner, Puttke, Seyffert, Matz und Rebeck, über Liška und den von ihr sehr verehrten Neumeier, über Stratton beim Royal Ballet, auch über ihre Erfahrungen im Umgang mit Choreografen wie Robbins, Preljocaj und Bart ...

Als ich sie frage, ob sie denn schon über ihre Tätigkeit nach dem Ende ihrer Ballerinenkarriere nachgedacht habe, zögert sie, denn davon kann vorerst – Gott sei Dank! – keine Rede sein, dafür ist sie eine viel zu leidenschaftliche Tänzerin. Immerhin könnte ich mir sie mit ihrem Erfahrungsschatz und bei ihrer Zielgerichtetheit und ihrem exzeptionellen Kommunikationsvermögen gut als künftige Ballettchefin vorstellen. Der Gedanke scheint sie zu überraschen – sie zögert und meint, dann müsste sie wohl erst noch einmal an die Universität zurückkehren und dort Marketing und Public Relations studieren (denn an professionellem Knowhow dürfte es ihr ja wohl kaum mangeln).

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