Berliner Nachlese
Die heutigen Kritiken über die Berliner Preljocaj-Premiere: sehr durchwachsen. Wen verwundert's? Vor der Sonntagvorstellung in der Staatsoper bekundete Gerhard Brunner selbst seine Zweifel, ob die am Vortag in der „Welt“ veröffentlichte Meldung über seine „Personalie“ am Montag „wohl endgültig im Kulturausschuss verhandelt“ würde.
Heute, Dienstag, heißt es an gleicher Stelle „BerlinBallett: Koordinator Gerhard Brunner muss weiter warten“ – offenbar bis zur ebenfalls immer wieder aufgeschobenen Entscheidung über die Zukunft der Staatsoper, das heißt über die Verlängerung oder Nichtverlängerung von Daniel Barenboims Vertrag als Künstlerischer Leiter. Drei Jahre dauert das nun schon, und man bewundert nachgerade Brunners Geduld. Die Worte Krise oder Skandal wagt man schon gar nicht mehr zu gebrauchen – und über die Feststellung, dass nun wohl die Talsohle erreicht sei und es in Zukunft nur noch aufwärts gehen könne, kann man nur noch müde lächeln. Bei den zahlreichen Gesprächen anlässlich des Empfangs nach der Premiere: hilfloses Achselzucken allenthalben und lähmende Resignation.
Selbst der temperierte Erfolg der Preljocaj-Produktionen scheint niemanden wirklich glücklich zu machen. Die Tänzer: total verunsichert, ja verbittert, dass die Bestallung des Ballett-Koordinators so viel gekostet haben dürfte wie die eingesparten Tänzer-Positionen. Selbst Margaret Illmann, die zur nächsten Spielzeit fest an die Staatsoper geht, scheint nicht gerade sonderliche Erwartungen hinsichtlich der Zukunft des Hauses zu haben. Wie sollte sie auch – mit einem Ballettchef Vladimir Malakhov in spe?
Auch ein so versierter Ballettfan wie der Rechtsanwalt Jörg Bofinger, ehemals Justitiar der Stuttgarter Staatstheater und eine der erfahrensten Theaterrechts-Kapazitäten in Deutschland mit internationalen Verbindungen, beurteilt die Berliner Verfilzung von Politik und Kultur derart negativ, dass er für sich in Berlin kaum noch Chancen sieht und einen neuen Job bei dem von Mortier geplanten NRW-Kulturfestival anpeilt.
Man kann nur hoffen, dass die bei der Berliner Premiere anwesenden überregionalen Kritikerkollegen angesichts der Berliner Ballett-Katastrophe (schon wieder so ein verschlissener Begriff), vielleicht doch ein wenig in sich gehen und die Verhältnisse in ihren eigenen Städten etwas wohlwollender beurteilen, damit sich nicht auch bei ihnen zu Hause „Berliner Verhältnisse“ breitmachen.
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