Dinner for two
Tanz Companie Lübeck
Drei drehen sich um sich selbst, die Gesichter im bleichen Licht nach oben gewandt, heben die Arme seitlich, als wollten sie abheben. Wechselnde Spots schneiden die Figuren, zwei Männer, eine Frau, aus der plötzlich eintretenden Dunkelheit heraus. Außerhalb der Spielfläche geht und spiralt eine weitere Tänzerin (Alicja Adamska) - sie wird in den knapp 70 Minuten der Aufführung von „Mondsüchtig“ die Bühne wie der Mond die Erde umkreisen. Dazu quillt aus den Lautsprechern der Funkverkehr einer der Apollo-Mondexkursionen in sattem, nur ab und an verständlichem Amerikanisch. Der Choreographin Juliane Rößler, Leiterin der Tanz Companie Lübeck (TCL), gelingt ein starkes Anfangsbild im Schuppen 6, der am Hafen zwischen zwei jederzeit deutlich vernehmbaren Verkehrsadern eingeklemmt steht.
Den realistischen Dialog der Mondfahrer, den der Komponist Beat Halberschmidt fantasievoll mit Rhythmen und Klangfarben durchschießt, unterbricht sie immer wieder mit Arnold Schönbergs „Pierrot Lunaire“. Dessen eigentümliches Schweben zwischen Gesang und Sprache erweckt eine Welt des Unwirklichen. Den Kontrast zur Atmosphäre des „wissenschaftlichen“ Funkverkehrs arbeitet Rößler durch sorgfältige Beleuchtung heraus. Drei geometrische Formen sind über die Bühne verteilt: Kugel, schiefe Ebene, schmal aufragende Pyramide, aus offenen Verstrebungen übermannshoch gebaut. Die Absicht ist klar, an der Verwirklichung hapert es. So sehr sich Antje Pfundtner, Olaf Reinecke, Tony Vezich bemühen, der Gegensatz zwischen Traum- und Wissenschaftswelt schält sich kaum je heraus. Am stärksten sind die Passagen, in denen das Trio sich übereinander einfädelt in die Pyramide oder Kugel und in honiggelbem Licht Kopf und Oberkörper gegen- und miteinander verschieben, sich zärtlich berühren. Von fern grüßt Glen Tetleys Fassung des Pierrot Lunaire. Auch die wenigen synchronen Abfolgen des Trios, das arg kurze Duo vermögen zu faszinieren durch ihren weichen Fluss der Bewegungen modernem Idioms. Die gefährliche Seite der Mondsucht, gewissermaßen das Balancieren über Dächer oder Geländer, scheint nicht auf, Zuspitzungen, die dramatische Kraft entwickeln, sind Mangelware. Je länger das Werk dauert, desto beliebiger scheint der Fortgang dahin zu plätschern. Bis er in den Anfang mündet, gähnen kreative Lücken. Mir wird schlicht langweilig. Nicht alle halten das aus: Drei der vielleicht 50 Zuschauer stehen auf und gehen raus.
Juliane Rößler scheint sich in einer esoterischen Sackgasse verfangen zu haben. Das ist doppelt schade, weil sie beinahe als einzige in Lübeck den professionellen Tanz vertritt, nachdem sich das Theater endgültig davon verabschiedet hat. Selbst Gastspiele von auswärtigen Ballettensembles, wie sie Intendant Marc Adam vor zwei Jahren bei seinem Dienstantritt angekündigt hatte, sind in der jetzigen Spielzeit nicht vorgesehen.
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