Acht Frauen

Das 8. Solotanzfestival

Stuttgart, 21/03/2004

Gegenläufig zur Bereitwilligkeit der Sponsoren - dieses Jahr ist sogar das Land Baden-Württemberg von der Finanzierung abgesprungen - wird das Solotanzfestival im Stuttgarter Rotebühlzentrum immer beliebter und immer erfolgreicher. Von den dieses Mal rund zweihundert Bewerbungen haben Festivalleiter Marcelo Santos und seine Jury achtzehn Teilnehmer ausgesucht, nach den drei Vorrunden blieben acht Solostücke übrig, in diesem Jahr allesamt von Frauen getanzt. Neben einem Publikumspreis wurden je drei Preise für die Choreografie und für den Tanz vergeben.

Begonnen hatte das Festival dieses Mal mit einem Gastspiel: Rui Horta, der Ex-S.O.A.P.-Chef aus Frankfurt hatte für seinen ehemaligen Tänzer Anton Skrzypiciel das einstündige Solostück „Bones and Oceans II“ choreografiert, eine Art Beckettsches Nachspiel zu einem Bühnenleben. Der ältere Tänzer von etwa fünfzig Jahren sperrt sich auf der Bühne ein, grenzt sie wie einen Boxring mit den Tonbandstreifen ab, die eben noch seine Musik gespielt haben. Angestrengt wirbt er dort um die Zuneigung eines völlig ungerührten Blechhunds, dem er immer wieder seine (Tänzer-)Knochen hinwirft - was für ein grausam-heiteres Bild für die Beziehung zwischen Tänzer und Publikum. Der Ausbruch nach draußen, weg von der Bühne und unter dem Tanzteppich durch, gelingt nicht; die Schuhe sind völlig zerfetzt, die Tänzerexistenz zerbröselt als Sand unter dem Bodenbelag, verrinnt als ein ablaufendes Tonband.

Fraglos setzte Rui Hortas Solostück einen hohen Maßstab, und vielleicht kann man in den acht bis zwölf Minuten, die den Wettbewerbsteilnehmern zur Verfügung stehen, auch keine großartige Dramaturgie ausbreiten. Aber manche der Stücke waren einfach völlig strukturlos und tobten sich in purer Expressivität aus. Allzu oft muss die Sprache das ausdrücken, was der Tanz nicht schafft - ob durch ständiges Reden per angeklebtem Kopfmikrofon, ob durch das vorausgeschickte Gedicht oder einen unvermittelten lauten Schrei mitten im Stück. Getanzt wurde ausschließlich zu aktueller, gerne computergenerierter Musik aus dem Independent- oder Jazz-Bereich, zu klassischer oder Pop-Avantgarde. Ein einziges Mal erklang im Finale Bach, aber den hatte sich die Koreanerin Kyungeun Lee in der originellen Reihenfolge „erst Tanz, dann Musik“ für den Abgang nach ihrer bis dahin stummen Choreografie aufgehoben. Ihr herbes, hartes und von ihr selbst mit sehr persönlichem Anliegen getanztes Stück erhielt den ersten Preis.

Man könnte sich fragen, warum eine so völlig unmusikalische Choreografie wie „Chaos“ von Sonia Rodriguez Hernandez immerhin einen dritten Preis (in der Sparte Tanz) erhielt; statt grundlegenden handwerklichen Fähigkeiten schien manchmal eher die Art von Kunst gefragt zu sein, die am lautesten behauptet, Kunst zu sein. Den Publikumspreis erhielt „Ex-Votos“ von Sylvio Dufrayer, das sich durch groteske, abgewinkelte Bewegungen vom Rest abhob.

Ungleich reicher im Bewegungsrepertoire als die meisten Wettbewerbsbeiträge und von einer unmerklich zunehmenden Dramatik war das Stück „Below Zero“, choreografiert vom Slowaken Peter Mika und der Spanierin Olga Cobos, ebenfalls zwei ehemaligen S.O.A.P.-Tänzern. Die junge Türkin Ceren Yavan beeindruckte nicht wie manch andere Interpreten durch wildes Gliederwerfen, sondern sie zog einen durch äußerste Kontrolle und Fokussierung in ihren Bann, durch ihr spannungsgeladenes Innehalten und eine faszinierende, fast mystische Wirkung. Für den Herbst des Jahres ist eine kleine Tournee mit den Preisträger des diesjährigen Wettbewerbs geplant.
 

Die Preisträger 2004:

1. Preis Choreografie: Kyungeun Lee mit „Off Destiny“

2. Preis Choreografie: Peter Mika, Olga Cobos mit „Below Zero“

3. Preis Choreografie: Teresa Ranieri mit „Libero Arbitrio“

1. Preis Tanz: Yong-In Lee mit „Below the Surface“

2. Preis Tanz: Ceren Yavan mit „Below Zero“

3. Preis Tanz: Sonia Rodríguez Hernandez mit „Chaos“

Publikumspreis: „Ex-Votos“, Sylvio Dufrayer (Choreografie) und Alessandra Lofiego (Tanz)

Weitere Informationen unter www.treffpunkt-rotebuehlplatz.de

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