Zwei letzte Werke

Davide Bombana: „Die Kunst der Fuge“ und Jo Stroemgren: „Last Piece By Anybody“

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Mulhouse, 04/11/2004

Zwei Uraufführungen – beides letzte Werke – nicht der Choreografen, sondern der Komponisten: von Johann Sebastian Bach „Die Kunst der Fuge“ (eine Auswahl; elektronisch manipuliert und durch mir unverständliche Texte aufgemotzt) und von Johan Daniel Berlin, einem in Vergessenheit geratenen Zeitgenossen Bachs preußischer Herkunft, dann in Norwegen resident geworden (dessen Stücke interpretiert von The Trondheim Soloists – beides vom Band). Die Choreografen sind Davide Bombana, nach München heute in Florenz lebend, zuletzt zwischen Genf und Paris pendelnd und demnächst in Essen) und der norwegische Freelancer Jo Stroemgren, der an der Wiener Volksoper einen sehr wohlwollend aufgenommenen „Nussknacker“ gemacht hat. Soweit OK (sofern man sich mit der elektronischen Verschredderung Bachs befreunden kann, was mir bei meinem eher konservativen Musikgeschmack leider nicht möglich ist – da ziehe ich mir Schläpfer in Mainz unbedingt vor!).

Die Kompanie: das Ballet de l'Opéra National du Rhin – also eins der französischen Staatsballette (wie außer Paris sonst noch Marseille), vergleichbar unseren Staatsballetten in München und Berlin; allerdings kleineren Zuschnitts, insgesamt 36 Tänzer, resident in Mulhouse, der Nachbarstadt von Basel, von wo aus Colmar und Strasbourg regelmäßig bespielt werden – jedes Programm etwa zehnmal in den drei Städten. Das ist also ganz ähnlich wie die neue Fusion von Heidelberg und Freiburg – allerdings ist das Ballet du Rhin eine wirkliche Ballettkompanie und kein Tanztheaterensemble. Ballettchef in Mulhouse ist Bertrand d‘At, ein alter Béjart-Kämpe, der gerade zurück ist aus Berlin, wo er Béjarts „Ring“ einstudiert hat und von den heutigen Berliner Tänzern im Gegensatz zu der Uraufführungsbesetzung von 1990 keineswegs so hingerissen zu sein scheint wie einige Berliner Kritiker.

Er hat seine Kompanie gut in Schuss: Die Tänzer machen einen vorzüglichen Eindruck – sie tanzen mit Verve und sind hervorragend koordiniert – der Besetzungszettel macht es indessen unmöglich, sie zu identifizieren. Jedenfalls wünschte ich, sie hätten bessere Ballette zu tanzen als an diesem Premierenabend in der Mulhouser Filature, einem sehr ansprechenden Theater-(Um-)Bau einer ehemaligen Stoff-Manufaktur, mit toller Bühne und exzellenten Sichtverhältnissen. Alles in allem: Überzeugt hat mich keins der beiden Ballette! Bombanas „Kunst der Fuge“ litt unter dem Ausfall der Videoprojektionen (Visuel réalisé par Music2eye). Als Choreografie bot sie ein ziemlich chaotisch anmutendes Gewusel; kleinere und größere Ensembles; klassisch-modern-global, ohne erkennbare Korrespondenzen zur Musik außer den natürlich vorhandenen Einschnitten. Erst gegen Ende verdichtet sich die Struktur, gibt es einen aus der Musik heraus entwickelten Pas de deux. (Scénographie et costumes stammen von Bernard Michel und verleihen, besonders durch die knapp sitzenden Badehosen der Männer, dem Ganzen einen Hauch von Béjartschem Déja vu).

Stroemgren ist insgesamt choreografisch markanter durchstrukturiert, bietet zahlreiche Pas de deux mit oft humoristischen Akzenten, die gelegentlich an Mats Ek erinnern. Ausgesprochen skandinavisch mutet eine durchgehende Puppenfigur mit verhülltem Kopf an – eine Art Troll (oder ein altägyptischer Kindergott)? Das Ganze mit seiner aufgesetzten Munterkeit doch arg verschwiemelt. Insgesamt ergab das einen eher vergessenswerten Abend, der allerdings vom Publikum mit großer Nachsicht aufgenommen wurde. Nicht unbedingt exportgeeignet. Und beim Bach, der nun einmal mit seinem musikalischen Anspruch höchstes Niveau voraussetzt, kein Vergleich – natürlich – mit Balanchines „Concerto Barocco“ – aber auch nicht mit Schläpfer in Mainz und Spoerlis diversen Zürcher Bachiana.

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