Ein Riesenvorbild
Sue Jin Kang erhielt den John-Cranko-Preis
Ein Nachwort zur jüngsten Vergabe des John-Cranko-Preises
Ist er wirklich so sicher, der nächste John-Cranko-Preis – wie hier vorgestern, Norbert Blüm und seine Renten-Garantie zitierend, kühn behauptet wurde? Oder ist er bloß eine lokale Stuttgarter Marotte, liebevoll kultiviert von einer Handvoll Cranko-Veteranen, die sich einmal im Jahr versammeln, um sich selbst zu feiern? Wenn man am Samstag bei der Vorstellung der „Widerspenstigen Zähmung“ im Großen Haus der Staatstheater und hinterher beim festlichen Empfang dabei war, musste man den Eindruck gewinnen, dass Stuttgart und Ballett zu einem Synonym verschmolzen sind.
Große Verwunderung also, am Montag in den beiden Stuttgarter Lokalgazetten alle möglichen Wochenend-Events besprochen zu sehen, indessen kein Wort über die Cranko-Preisverleihung. Doch vielleicht am heutigen Dienstag? Fehlanzeige! Das heißt, ganz so groß war die Verwunderung eigentlich nicht. Jedenfalls nicht im Fall der „Stuttgarter Zeitung“, die in puncto Ballett-Berichterstattung aus der Premier Liga der deutschen Tageszeitungen längst in die Niederungen eines Provinzblattes abgestiegen ist. Verwunderung aber doch über die „Stuttgarter Nachrichten“, die die StZ eindeutig hinsichtlich der Informationen über das Tanzgeschehen – nicht nur in Stuttgart – übertroffen haben und im allgemeinen die lokalen Tanzaktivitäten viel engagierter und detaillierter kommentieren. Und schließlich ist da ja auch noch der Südwestrundfunk, der sich in Sachen Tanzpreisverleihung ebenfalls sehr bedeckt verhält.
Überschätzen wir vielleicht die Bedeutung der diversen Tanzpreise – denn mit der Publizität des Deutschen Tanzpreises verhält es sich ja nicht viel besser (so hielt es beispielsweise die StZ nicht einmal für nötig, die Laudatio des Stuttgarter Opernintendanten Klaus Zehelein auf den aus dem Stuttgarter Ballett hervorgegangenen William Forsythe, als der den Deutschen Tanzpreis 2004 erhielt, auch nur mit einem Wort zu erwähnen)? Dieses publizistische Non-Echo hinsichtlich der deutschen Tanzpreise fällt natürlich in diesen Tagen besonders auf, da sich die Medien nicht genug tun können, anlässlich der Frankfurter Buchmesse die Vielzahl der deutschen Literaturpreise in Berichten, Kommentaren und Interviews zu würdigen. Da kommt man sich als Tanzpublizist ganz klein vor und fragt sich, ob man den Tanzbeitrag zur deutschen Kulturszene möglicherweise überschätzt – ob es sich da um ein Minoritäteninteresse handelt, nicht das Papier wert, auf dem darüber berichtet wird. Und das stimmt mich ausgesprochen traurig – zumal in einer Stadt, in der sich das Publikum so total mit seiner Ballettkompanie identifiziert wie in kaum einer anderen Kommune in Deutschland.
Oder liegt es an uns selbst, den Tanzpublizisten, dass wir in den Redaktionen nicht nachdrücklich genug auf einer angemessenen Würdigung und Wertung unserer Interessen bestehen? Daran, dass es keine Lobby gibt, die den Kulturchefs in den Medien ständig auf die Pelle rückt, sich mehr für die Berücksichtigung des Tanzes einzusetzen? Manchmal wundere ich mich darüber, dass erfolgreiche Ballettchefs wie Reid Anderson in Stuttgart oder John Neumeier in Hamburg nicht resigniert aufgeben, wenn sie die lahmen publizistischen Reaktionen der Medien zur Kenntnis nehmen (beispielsweise auf das historisch sensationelle einwöchige Gastspiel der Hamburger in St. Petersburg oder das vergleichslose Angebot an Uraufführungen in Stuttgart)! Ist der kulturelle Stellenwert des Balletts und des Tanztheaters tatsächlich so gering, wie sie im publizistischen Spiegel der Medien reflektiert erscheinen?
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