Komm, Welt! Komm, Ewigkeit!
Choreografien, die bleiben: Die Limón Dance Company im Ludwigshafener Pfalzbau zu Gast
Choreografien von Susanne Linke, Lar Lubovitch und José Limón
Ein Tag, der es mir schwermacht, mich auf die Abendvorstellung zu freuen: das Gastspiel der New Yorker Limón Dance Company im Rahmen der Ballettwoche 2005 im Münchner National Theater. Denn es ist der Tag, an dem sie Giora Manor in seinem Kibbutz in Mishmar Haemek zu Grabe tragen – den Kollegen und engen Freund, der ein so engagierter Freund aller war, die irgendwo auf der Welt mit dem Tanz zu tun hatten (und der auch – das vergaß ich in meinem hastig geschriebenen Nachruf zu erwähnen – ein eloquenter Fürsprecher der israelisch-palästinensischen Verständigung war).
Der Ansturm auf die Vorstellung war enorm – mit vielen Interessenten, die abgewiesen wurden. Das Publikum wird mir immer rätselhafter! Da bleiben bei den Vorstellungen des hierzulande ausgesprochen populären NDT I in Ludwigsburg ganze Reihen leer – und hier, beim Gastspiel der bei uns kaum bekannten Amerikaner, stürmen die Leute das Haus! Am Anfang steht Susanne Linkes vor ein paar Monaten für die Limóns choreografiertes Stück „Extreme Beauty“ zu Musik von György Kurtag (der scheint mehr und mehr zu einem „In“-Komponisten zu werden) und Salvatore Sciarrino. Wieder so ein irritierender Titel – der auch „Excessive Length“ heißen könnte, denn das Stück dauert geschlagene vierzig Minuten.
Fünf Tänzerinnen, die zunächst als synchrone Gruppe die Bühne in marschartigen Formationen erkunden, dann einzelne Gruppen bilden und auch Soli absolvieren – mit seltsamen Schraubenbewegungen und – immer äußerst musikalischen – Körpervertwistungen, die sich gegenseitig an- und abstoßen und so für eine flüssige Bewegungskontinuität sorgen. Im letzten Drittel betreiben sie dann höchst reizvolle Verkleidungsspiele mit riesigen weißen Stoffbahnen, in die sie sich ein- und auswickeln. Das ist apart anzusehen, nie langweilig und wird gespeist von einem reichen kleinstteiligen Bewegungsvokabular.
Lauter blendend getanzte Miniaturen. Ein Stück, das gut ins Repertoire passt, ausgesprochen innovativ – und so musikalisch wie der Ruf der einst von Doris Humphrey und Limón gegründeten Kompanie. Das würde ich von Lar Lubovitchs „Concerto Six Twenty-Two“ allerdings ganz und gar nicht behaupten. Da handelt sich‘s um eine 1986 für Lubovitchs eigene Truppe entstandene Choreografie zu Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur, KV 622, für dreizehn Tänzer – eine von Mozarts sublimsten Kompositionen. Und was macht Lubovitch dazu? Lauter „Hasch mich, ich bin der Frühling!“-Putzigkeiten und Nichtigkeiten in strahlendem Weiß.
Die Musik dient hier lediglich als Trampolin, von dem sich die Tänzer in die Luft katapultieren, um dort ihr Allotria zu treiben. Am akzeptabelsten ist noch das Adagio für zwei Jungen, die komplementäre Arm-Ornamente figurieren. Das Ganze barfuß – könnte man sich aber auch in Spitzenschuhen vorstellen. Ein einziges Mozart-Missverständnis (wie Crankos Lipizzaner-Getrappel zu Mozarts Konzert für Flöte und Harfe). Hätte vermutlich nie ins Repertoire Aufnahme gefunden, wenn Doris Humphrey, diese rigorose Musikpräzeptorin, da noch ein Wörtchen mitzureden gehabt hätte. Das Publikum indessen jubelte. Das war – für mich, an diesem Tag – denn doch zu viel choreographischer Marshmellow! Danach habe ich das Weite gesucht und Limóns „Psalm“ von 1967 nicht mehr gesehen.
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