Emotionale Explosionen im traurigsten aller Tänze
Compagnia Naturalis Labor mit „Othello Tango“ von Luciano Padovani in Ludwigshafen
Choreografien, die bleiben: Die Limón Dance Company im Ludwigshafener Pfalzbau zu Gast
Die Gründerväter und –mütter des zeitgenössischen Tanzes sind längst von der Bühne abgetreten – der Umgang mit ihrem Erbe könnte unterschiedlicher nicht sein: Merce Cunningham verordnete seiner Company nach einer Abschiedstour Selbstauflösung. Martha Grahams Gedankenwelt wird in dem nach ihr benannten Tanzzentrum gepflegt. Die Rekonstruktion der Stücke von Pina Bausch in ihrer noch rudimentär existierenden Truppe sorgt für kontroverse Diskussionen über die Authentizität von Wiedereinstudierungen. Gänzlich unbeirrt von solchen Zweifeln pflegt die New Yorker Limón Dance Company das Erbe des vor über 50 Jahren verstorbenen José Limón, der als einer der Begründer des Modern Dance gilt.
Derzeit ist die Company auf Deutschlandtournee. Im Ludwigshafener Pfalzbau konnten sich die Zuschauer selbst die Frage nach der Nachhaltigkeit von Limóns choreografischer Arbeit stellen. Der abschließende Beifall sagte – fast – alles: José Limóns wiederbelebte Arbeiten stahlen allem Übrigen die Show.
Zum Auftakt gab es eine fünfminütige „Etude“ von Company-Direktorin im kraftvoll-fließenden Limón-Stil. Dann kam der Meister selbst zu Wort, in dem zehnminütigen Solo „Chaconne“ (Musik von Bach), das er 1942 für sich selbst kreiert hat. Der strikten musikalischen Form entspricht ein rauer, unerhört kraftvoller Tanz, den Körper zugleich bis an die Grenze der Fähigkeit, sich gegen die Schwerkraft zu stabilisieren, auslotet und dabei ein emotionales Feuer entfacht. „Komm, Welt!“ scheinen die hocherhobenen Arme der androgyn wirkenden Tänzerin zu rufen. Das Solo wird in der Tournee alternierend von Frauen und Männern getanzt, von Sehnsucht verstehen schließlich beide Geschlechter etwas.
Aus dem Jahr 1967 stammt Limóns Arbeit „Psalm“ (zu einer hoch modernen Komposition von John Magnussen auf der Grundlage der Originalmusik von Eugene Lester). José Limón hat sich für diese Choreografie von der jüdischen Legende der 36 Gerechten inspirieren lassen, um derentwillen Gott die Welt nicht untergehen lässt. Gemeinschaft und Spiritualität, Auserwähltsein und Ewigkeitsglaube, vor allem aber die Kraft der gegenseitigen Unterstützung wird in bewegende Bilder gebannt, die leicht vergessen lassen, dass nicht 36, sondern nur 13 Tänzer die Bühne bevölkern.
Ein kleines bisschen verloren, weil zwar hübscher, aber auch distanzierter und indirekter daherkommend, wirkte die zwischen den beiden Arbeiten positionierte Choreografie „Come with me“ von Rodrigo Pederneiras, mit der 2012 das 65-jährige Jubiläum der Company gefeiert wurde. Zu einem eingängigen Potpourri (Habanera-Jazz von Paquito D’Rivera) sind es vor allem die starken Frauen im Ensemble, die nachhaltig an der hübschen folkloristischen Oberfläche kratzen.
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