Tänzer als zuschauergesteuerte Marionetten

Jo Fabians „living.types.as“ entpuppt sich als harmloser Mitspielspaß

Berlin, 25/10/2005

Wer - in seinem Innersten - sei nicht Tänzer, fragte erkenntnisstolz vor fast 100 Jahren der tänzerische Rundum-Genius Rudolf von Laban. Dass jeder zudem auch Choreograf ist, will nun sein Nachfahre Jo Fabian beweisen. Hierzu entwarf er seine Produktion „living.types.as“ als interaktive Tanzinstallation. Jan Klemm zeichnet für Tonmodul, Andreas Kröher für Lichtmodul, Eckart Arns für die komplexe Programmierung, Fabian selbst für Gesamtleitung und Videomodul verantwortlich. Die Performance spielt im Kubus, dem schwarz ausgekleideten Saal des Podewils‘schen Palais. Der Zuschauer darf sich frei durch den Raum bewegen, soll seine kreativen Möglichkeiten als potenzieller Choreograf einbringen.

Auf einem mittigen Sandrechteck warten, anonym sonnenbebrillt, Annegret Thiemann und Ralf Kittler in schwarzem Dress und unter gleicher Blondperücke auf der Besucher Befehle. Fünf kleine Tische mit der Tastatur einer Steuersoftware umgeben die Szene. Per Tastendruck ergehen von dort separate Anweisungen, die von den verkabelten Interpreten in tänzerische Bewegung umgesetzt werden. Jedem elektronischen Signal entspricht eine vorab zugeordnete, nur dem Tänzer bekannte Bewegung. Resultat ist eine jeweils neu entstehende, nicht vorhersehbare, zufällige Abfolge von Bewegungen, unabhängig für jeden Darsteller. Dass dabei kein semantisch nachvollziehbarer, sinnfälliger Tanz entstehen kann, liegt auf der Hand. Zwar sind die einzelnen Bewegungen, denen Schnalzer, einmal auch ein röhrender Schrei addiert werden, organisch verbunden; zwar kommt es auch zu Begegnungen der Akteure; nicht zuletzt durch die permanente Wiederkehr der bewegten Versatzstücke bleibt der Tanz marionettenhaft willkürlich.

Mittels Tastatur lässt sich von bestimmten Tischen aus auch Einfluss auf die Lichtgestaltung und ein auf erhöht hängender Leinwand laufendes Video nehmen. Das zeigt Szenen eines Paares, er mit Zylinder, sie mit keckem Hütchen. Getafelt, gelacht, geraucht und eng umschlungen getanzt, parliert, telefoniert, gestritten, geweint und ein Revolver gezückt wird da. All das kann man in Tempo und Bildfolge beeinflussen, den Film zum Stoppen bringen oder in Sequenzen zerlegen. Ähnlich lässt sich das Licht steuern. In einem grünen Kabinett am Saalende geht, durch Fenster einsehbar, ebenfalls auf Sand eine echte Fabian-Heroine unwandelbar ihrem entrückten Leben nach: Zeitlupenhaft langsam, im schwarzen Kleid mit Schleppe und Engelsflügeln, schält sie mit riesigem Küchenmesser einen Apfel.

Danke, verabschiedet sich nach einer Stunde der Film. Da hatte sich der harmlose Spaß an einer rein technischen Manipulation auf stets demselben Niveau, ohne Ausblick auf die Gefahren für den Manipulierten, auch bereits erschöpft.


Premiere: 21.10. Weitere Vorstellungen: 22., 28.+29.10., 20.30 Uhr,
Podewils‘sches Palais, Mitte, Klosterstraße 68-70

Kommentare

Noch keine Beiträge