Das Gleichmaß einer virtuellen Welt

Installationen von Jo Fabian und Lawrence Malstaf im Tesla

Berlin, 11/12/2006

Betritt man das Podewils‘sche Palais, schreitet man hinein in Jo Fabians Installation. Sie schmiegt sich als neonblaue Grotte in die Apsis des Foyers. Auf einem Podest, drapiert mit rotem Teppich, stehen eine Singer-Nähmaschine und eine Wiege. Flankiert werden sie von zwei Monitoren, die abbilden, was beim gewöhnlichen Krippenspiel leibhaftig abliefe. Maria unterm ikonografisch korrekten blauen Tuch wandert im Film zwischen Wiege und Nähmaschine. Schreit das nicht anwesende Kind, schaukelt sie seine Wiege auf dem rechten Video, und auch das Bettchen auf dem Podest schaukelt mit. Sobald sich das Kind beruhigt hat, geht sie nach links und beginnt zu nähen. Singer auf dem Podest setzt sich dann gleichfalls ratternd in Gang, bis es nach Stahlabrieb riecht.

Besinnlicher Streicherklang mit eingewobenem Sopran schafft den akustischen Rahmen. Über aller nachdenklichen Stille der menschenleeren Konstruktion kreist hoch oben auf einem dritten Monitor ein virtueller Christus um sich selbst, als wäre seine Achse tief im blauen Planeten verwurzelt. Ein zweites, knochengerüstiges Armpaar rudert wie Engelsflügel. Am Ende des Zyklus erstarrt die Figur hinter Regen, der im Video die Glasscheibe netzt, als wären es Jesu Zähren. Dann beginnt fürs vorweihnachtliche Herze in technikdominierter Zeit von vorn, was sich das Medien-Kunst-Labor Tesla im Vorfeld der Tanznacht Berlin 2006 ausgedacht hat.

Auf eine Großleinwand neben der Apsis wird live übertragen, was sich in der zweiten Installation eine Treppe höher ereignet. Blaues Neon als adventspendelnder Nachklang geleitet über die Stufen. Den Kubus genannten, schwarz ausgeschlagenen Saal füllt „Nevel“, eine autochoreografische Installation des Belgiers Lawrence Malstaf. Neun mehrere Meter hohe transparente Paravents, drehbar im Parkett verankert, ziehen dort ihre Bahn, je nachdem wohin sich die Besucher wenden. Ihnen eilen die Wände nach, bilden prismatisch sich ändernde Räume und Unterräume, die sich auch gefängnishaft um den Flaneur schließen können. Dann sitzt er für den Moment in der Falle, beleuchtet nur von einem Scheinwerfer, der gleichmütig am langen Schwenkarm unter der Decke seine Runde macht. Vor der Bühne erstreckt sich ein künstlicher Teich, durch den Gitterroste trockenen Fußes führen.

Über dem See schweben an mächtigen Metallketten zwei motorbeschwerte Pendel. Und weil die Motoren nicht genau im Zentrum hängen, lässt jede neue Antriebsbewegung die Pendel nicht nur um die eigene Achse rotieren, sondern treibt sie planetenähnlich auch elliptisch aus ihrer Mittellage. Von Bänken auf dem Podium aus ergeben sich Einblicke in die raumerzeugende Schwenktätigkeit der Paravents mit stetig sich wandelnder Tiefenstruktur und reizvolle Wasserspiegelungen. Die Welt in einem Gleichmaß, wie man es ihr auch im richtigen Leben wünschte.

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