Das Grauen kommt zu kurz im Hause Usher

Debussy, getanzt und gesungen im neuen Bregenzer Festspielhaus

Bregenz, 09/08/2006

Das Haus Usher geht im renovierten, von Klang schluckenden Teppichen befreiten Bregenzer Festspielhaus szenisch nicht unter. Vielleicht der Kardinalfehler der betont gediegenen, auf psychologischen Realismus setzenden Regiearbeit der Engländerin Phyllida Lloyd (u.a. „Mamma Mia!“-Musical), die gemeinsam mit dem dänischen Choreografen Kim Brandstrup die 90-minütige und viel beklatschte Debussy-Raritäten-Premiere verantwortet.

Die Umbauarbeiten am Festspielhaus wurden erst kürzlich abgeschlossen, gesucht wurde daher ein an Personen und Aufwand leichtgewichtiger Abend. Man dachte an Barockoper, auch an Igor Strawinsky. Die Wahl fiel schließlich auf die vom Debussy-Spezialisten Robert Orledge jahrelang mühevoll zusammengetragene, aber wenigstens zur Hälfte neu geschriebene und somit „rekonstruierte“ Kurzoper von Claude Debussy „Der Untergang des Hauses Usher“ voll dramatisch-aufpeitschender Klangfarben.

Nach der Vorlage von Edgar Allan Poe rückt Debussy den von Fieberträumen und Wahnvorstellungen geplagten Roderick Usher, dessen Schwester Madeline dahinsiecht, in den Mittelpunkt. In der Textvorlage sind die Geschwister auf rätselhafte Weise nicht nur in den Mauern ihres Hauses gefangen, sondern auch einem mysteriösen Hausarzt ausgeliefert. Ushers herbeigerufener Freund kann das Schicksal nicht aufhalten.

Dem Regieteam war das „Haus Usher“ zu kurz. Man entschied sich, mit den beiden ursprünglich vom russischen Ausnahmetänzer Watzlaw Nijinsky choreografierten Debussy-Balletten „Prélude à l'après-midi d'un faune“ und „Jeux“ Vorgeschichten zur Usher-Tragödie zu erzählen. Eine dramaturgische Idee nicht ohne Reiz, zumal sämtliche Rollen im Einakter mit Sängern als auch mit Tänzern (vom Royal Ballet London) besetzt sind.

Dem Ausstatter Richard Hudson gelingt mit von Spinnweben überzogenen Museumsvitrinen ein stimmiges Retro-Bühnenbild. Das wechselhafte, fragmentarische Moment, das Erinnerungen an sich haben, wird auch durch den Einsatz der Drehbühne anschaulich. Diese große Durchlässigkeit bestimmt vor allem die Ballett-Teile, die Brandstrup leider mit wenigen Ausnahmen neoklassisch-konventionell choreografiert hat. Tänzerisch macht, neben einer etwas farblosen Leanne Benjamin und dem sympathischen Ex-Wiener Johannes Stepanek, vor allem der blutjunge Steven McRae als Roderick gute Figur.

Szenisch bleibt Regisseurin Lloyd Tiefenschärfe und Charakterisierung schuldig. Scott Hendricks, Einspringer für Roman Trekel, verausgabt sich als Usher, unterstützt vom profunden Nicholas Cavallier als Freund. Blass John Graham-Hall als Arzt. Katia Pellegrino (Madelina) ist kurz aus dem Off zu hören. Ein verdienstvoller Abend, den die Wiener Symphoniker unter Lawrence Foster kräftig mitbestimmen.

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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