Getanzte Bijouterien von George Balanchine und Lin Hwai-min

Neu auf DVD bei OpusArte: „Jewels“ und „Cursive II“

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Stuttgart, 12/06/2006

Rechtzeitig zur Premiere der Hamburger Einstudierung von Balanchines „Jewels“ (am 25. Juni) ist bei OpusArte die DVD des Dreiteilers erschienen (OA 0951 D, mit Dokumentation „George Balanchine Forever“, 152') – und, ebenfalls bei OpusArte, sozusagen als Nachklapp zum Gastspiel des Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan in Berlin vor wenigen Wochen, Lin Hwai-mins „Cursive II“ (OA 0952 D, mit Dokumentation „Dragon Flying and Phoenix Dance“, 147‘). Beide als Überspielungen der originalen TV-Produktionen von Reiner E. Moritz, dem wir eine so große Anzahl von Fernsehaufzeichnungen von Balletten verdanken (eine geradezu preisverdächtige Liste – wie wär‘s mit dem Deutschen Tanzpreis?). Er hat auch die knappen informativen Begleittexte in den beigelegten Heften verfasst.

Als erstes abendfüllendes Ballett ohne Handlung, dessen drei Teile thematisch durch den „Juwelen“-Titel miteinander verbunden sind, haben die 1967 vom New York City Ballet herausgebrachten „Jewels“ Geschichte gemacht. In der hier angezeigten Version werden sie vom Ballett der Pariser Opéra getanzt, neu ausgestattet von Christian Lacroix, mit Letitia Pujol und Mathieu Ganio sowie Claire-Marie Osta und Kader Belarbi in den Hauptpartien von „Emeralds“ (Smaragde), Aurélie Dupont und Alesio Carbone in „Rubies“ (Rubine) und Agnès Letestu und Jean-Guillaume Bart in „Diamonds“ (Diamanten). „Emeralds“ wird zu ausgewählten Stücken von Gabriel Fauré getanzt – eine Art geträumtes Gedicht an das romantische Ballett der Pariser Schule, „Rubies“ zu Strawinskys Capriccio für Klavier und Orchester, inspiriert von den jazzartigen Rhythmen mit ausgesprochen amerikanischen Music-Hall-Akzenten, und „Diamonds“ zu Tschaikowskys dritter Sinfonie (ohne deren ersten Satz) als Hommage an den russischen Zaren-Klassizismus von Petipa, mit einer grandiosen Polonaise als Finale.

Ich muss gestehen, dass ich sowohl „Emeralds“ wie auch „Diamanten“ als Arbeiten eher aus der Werkstatt von Balanchine stammend betrachte, „Rubine“ dagegen als geniales Meisterstück von der Qualität der „Vier Temperamente“ und „Agon“. Alle drei haben durch die Neuausstattung gegenüber dem amerikanischen Original von Karinska/Harvey gewonnen und funkeln, von den Pariser Tänzern auf Hochglanz poliert, wie die totschicken Schaufensterdekorationen eines der Juweliere auf den Champs-Elysées. In den Übernahmen der anderen Kompanien kommen sie mir wie Filialen der international verzweigten Juwelier-Firmen etwa von Van Cleef & Arpels vor. Da wird sich Hamburg gewaltig anstrengen müssen, wenn es am Dammtor mit der weltstädtischen Eleganz der Fifth Avenue, den Champs-Elysées und dem Newsky Prospekt mithalten will. Der Erwerb der DVD lohnt sich auf jeden Fall – allein schon der angehängten Dokumentation wegen, in der Brigitte Lefèvre, Christian Lacroix, Barbara Horgan und von den Tänzern vor allem Aurélie Dupont, Agnès Letestu und Clairemarie Osta überaus kluge Dinge über Balanchine sagen.


Vom zweiten Teil der „Cursive“-Trilogie von Lin Hwai-min war hier, im koeglerjournal, ja schon am 23.9.2003 (im Bericht von Jochen Schmidt über die Premiere in Taipeh) und am 23.5.2004 nach der Europa-Premiere beim movimentos-Festival in Wolfsburg die Rede. Die erneute Begegnung mit der DVD-Version bestätigt vollauf die Überzeugung, dass es sich in dieser choreografischen Kalligrafie um eine der „schönsten, vollkommensten und reinsten Theaterbeglückungen unserer Tage“ handelt. Ein Eindruck, der durch den dokumentarischen Teil mit Lin Hwai-min als Chronist seiner Karriere und als Botschafter seiner asiatisch-westlichen Theaterphilosophie noch vertieft wird. Er beginnt übrigens mit tollen Schnappschüssen von der Probenarbeit bei der Zürcher Einstudierung seines „Smoke“-Balletts. Schon jetzt für die Weihnachtswunschliste vormerken! Link: www.opusarte.com

 

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