„Ich liebe es, intensiv zu sein“

Jirí Jelinek tanzt in der Ballett-Premiere „Onegin“ den Titelhelden

Wien, 08/04/2006

Jirí Jelinek gilt als einer der besten Onegin-Darsteller. Heute tanzt der beim Stuttgarter Ballett engagierte Erste Solist aus Prag den zu spät zur Räson kommenden Dandy in der großen „Onegin“-Premiere an der Wiener Staatsoper. John Cranko hat das dreiaktige Handlungsballett mit Musik von Tschaikowsky 1965 in Stuttgart herausgebracht. Das Stück gilt seither als Publikumsmagnet. Jelinek im Gespräch: „In Stuttgart haben wir ein sehr gebildetes Publikum, es kommt nicht nur einmal, sondern will jede neue Besetzung sehen, um die Unterschiede zu studieren. Es gibt ja noch viele, die die Uraufführung mit Ray Barra und Marcia Haydée gesehen haben. Aber auch auf Tournee, zuletzt in Japan, war „Onegin“ ein Erfolg.“

Für den 28-jährigen Tänzer, der nach der ursprünglich besetzten, nun leider verletzten Polina Semionova seine Stuttgarter Partnerin Sue Jin Kang in Wien als Tatjana vorfindet, war die Rolle des Onegin immer schon interessant. Jelinek grinst: „Ich war erst 21, als ich in Prag den Onegin in einer Fassung von Vasilij Medvedev getanzt habe. Ich las Puschkin und fand diesen Typ sofort spannend. Onegin ist natürlich nicht der böse Knabe, als der er gerne hingestellt wird. Er ist ein Aristokrat, überaus gebildet, und langweilt sich unendlich. Klar fühlt er sich geschmeichelt von der Verliebtheit Tatjanas. Aber in seinen Augen ist sie ein Kind, er nimmt sie nicht ernst.“ „Man muss halbwegs erwachsen sein, um diese Partie wirklich auszufüllen“, meint Jelinek, „es geht nicht nur um Tanz, der in Crankos Fassung stellenweise sehr komplex ist, sondern auch um Schauspiel.“

Jelinek liebt es, auf der Bühne intensiv sein zu können. „Dieser zwiespältige Charakter Onegins muss überzeugend rüberkommen. Da hab ich kein fertiges Rezept, sondern lasse mich durchaus vom Moment tragen. In gewissem Sinn ist da etwas Improvisatorisches dabei.“ Höllische Augenblicke aber könnten entstehen, wenn der Dirigent nicht auf die Tänzer eingestellt ist. „Das kann sehr heikel werden, da Cranko außerordentlich musikalisch choreografierte.“ Eine Musikalität, die Jelinek, wenn auch in anderer, heutigerer Form bei Werken des Cranko-Schülers Jirí Kylián wiedergefunden hat. „Dessen „Sinfonietta“ durfte ich in Prag tanzen, die Proben mit ihm waren wunderbar.“

In Stuttgart steht Jelinek demnächst in der Uraufführung „Der Sandmann“ von Christian Spuck auf der Bühne.

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

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