Schwungvoller Auftakt zur neuen Saison im Royal Opera House

Das Royal Ballet tanzt Balanchine, Tetley und Kylián

London, 11/10/2006

The Royal Ballet is back – und das offensichtlich, nach den prunkvollen Feierlichkeiten anlässlich seines 75. Geburtstages in der letzten Spielzeit, mit neuem Elan. Diesen beweist es in einem Eröffnungsabend, der drei abstrakte Ballette aus den 70er Jahren vereint, von denen ein jedes bereits Klassikerstatus erreicht hat. Das Programm beginnt mit George Balanchines häufig aufgeführtem „Stravinsky Violin Concerto“, einem klarlinigen Stück in typischer Balanchine-Schwarzweiß-Ästhetik, das seinen besonderen Reiz zwei Pas de deux verdankt, in denen die weiblichen Solisten alle Künste der Verbiegung und Verführung anwenden. Dieser ziemlich schwierige Auftakt ist trotz des nicht perfekten Balanchine-Stils der Truppe – zu rund sind manche Bewegungen, zu expressiv, zuweilen beinahe narrativ die Mimik einiger Tänzer – ein Erfolg. Aus der sehr guten Besetzung ragen vor allem Zenaida Yanowsky und die kürzlich aus dem New York City Ballet zu der englischen Truppe gestoßene Alexandra Ansanelli hervor. Wo Yanowsky vor allem durch ihre Präzision und Souveränität auch in den akrobatischsten Sequenzen glänzt, schwebt Ansanelli mit verspielter Leichtigkeit durch Balanchines gewagte Choreografie. Auch die männlichen Solisten (David Makhateli und Viacheslav Samodurov) sowie das Corps de Ballet tanzen voller Energie, sichtlich beflügelt von der exzellent gespielten Musik. Diese ist sowohl Soloviolinist Vasko Vassilev als auch Covent-Garden-GMD Antonio Pappano zu verdanken, der die an diesem Abend auf Orchestergraben und Royal Box verteilten Musiker brillant dirigierte.

Beim zweiten Ballett des Abends handelt es sich um Glen Tetleys „Voluntaries“, das jener 1973 zu Ehren John Crankos kurz nach dessen Tod kreierte. Der Kontrast zu Balanchines Klarheit und Kühle ist sehr markant: zu Francis Poulencs voluminöser Orgelmusik entfaltet sich hier ein lyrisches, mit unterschwelligen Emotionen aufgeladenes Stück, wenn auch einige sehr akrobatische Momente an Balanchines Pas de deux erinnern. An der Spitze der Besetzung stehen Marianela Nuñez und der aus Stuttgart „entliehene“ Jason Reilly, die ein sehr harmonisches Paar bilden. Sie überzeugen sowohl durch ihre gefühlvolle, aber nicht übertrieben emotionale Interpretation als auch durch ihre technische Sicherheit. In weiteren Solorollen treten Mara Galeazzi, Bennet Gartside und Valeri Hristov auf, die, obwohl tänzerisch einwandfrei, wie auch das Corps de Ballet etwas hinter der sehr dominanten Musik verschwinden.

Ganz anders wieder Jirí Kyliáns „Sinfonietta“, das das Programm beschließt. Hier ist die Atmosphäre leichter, Bühnenbild und einige Partien von Leos Janáceks Musik deuten eine ländliche Szenerie an, ebenso wie die schlichten, hauptsächlich in Grau gehaltenen Kostüme, die an „Vergessenes Land“ erinnern. Es handelt sich hier um ein vergnügliches, sehr temporeiches Ensemblestück, das allerdings an manchen Stellen etwas zusammenhanglos und hektisch wirkt. Die Männer haben es hier einfacher als die durch ihre weiten Röcke behinderten Frauen, wenn es darum geht, in rasender Geschwindigkeit unaufhörlich über die Bühne zu wirbeln, und so bleibt das Auge besonders an Steven McRae haften, wenn er – eine der großen Hoffnungen der Kompanie – mit seiner erstaunlichen Flexibilität und Leichtigkeit danach zu trachten scheint, seinen ebenfalls blitzschnellen Kollegen einfach davonzufliegen.

Nach diesem interessanten Anfang kann man sich nur auf die kommende Spielzeit im Royal Opera House freuen: neben Klassikern wie „Coppelia“, „Dornröschen“, „Nussknacker“, „Schwanensee“ „Onegin“ und „Mayerling“ stehen einige moderne Stücke auf dem Spielplan, darunter unter anderem Will Tucketts reizvolles Handlungsballett „The Wind in the Willows“ sowie Uraufführungen von Christopher Wheeldon, Wayne MacGregor und Alastair Marriott.

 

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