Dynamische Bilderflut
Ein Einblick in die 14. Internationalen Oldenburger Tanztage 2019
Alonzo King und das Lines-Ballett aus San Francisco in Innsbruck
William Forsythe war einer der Ersten, der Alonzo King nach Europa einlud, eine Choreografie für sein Ballett Frankfurt zu entwerfen. Mittlerweile hat der in San Francisco tätige Leiter des Lines-Ballet und seiner Schule sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Noch ehe er dieser Tage beim maßgeblichen Festival in Montpellier gastiert, hatte das Ensemble beim Tanzsommer Innsbruck Österreich-Premiere.
Irreführend für mitteleuropäisch geschulte Zuschauer waren zunächst die Titel der beiden Stücke: „Migration“ (2006) und „The Moroccan Project“ (2005), könnte man doch dahinter politisch motivierte Intentionen vermuten. In der nüchternen Halle der Innsbrucker „Dogana“ kam es dann anders, aber auf Kings Weise nicht minder aufregend.
Der Mann, den Forsythe einen brillanten Ballettmeister nennt, ist genau ein solcher. Mit einer eindrucksvollen Mischung aus klassischem Ballettvokabular, jeder Menge Modern Dance, aber auch ethnischen Einflüssen hat King einen ziemlich einzigartigen Stil geschaffen. Fast könnte man meinen, Forsythe wäre dem virtuos zwischen Ruhe und Tempo, zwischen Aufrichtung und Bodennähe sämtliche Bewegungs-Raum-Register ziehenden King einmal sehr nahe gewesen. „Migration“ erweist sich zur mitunter gekleistert wirkenden Musik von Miguel Frasconi und Leslie Stuck als spielerische Auseinandersetzung mit Motiven aus der Welt der Vögel und Säugetiere. Im choreografischen Aufbau und dem Umgang mit der Musik bleibt King tradierten Mustern treu. Was er aber seinen hervorragenden Tänzern entlockt, mutet wie ein Katalog an aberwitzig ausgeklügelten Fantasie-Figuren an. Eine Evolutions-Studie, für deren Protagonisten am Ende eine Strickleiter vom Bühnenhimmel herabfällt.
Zeitgenössisches Ballett also, das King im „Moroccan Project“ zu eindringlichen Liedern von Berbern und Beduinen, Sufis sowie afrikanischen Klängen nummernartig um rituell anmutende Elemente erweitert. Schönheit, Klarheit und Akkuratesse der Bewegung für Soli und Gruppenführung stehen ganz im Vordergrund. Wie ausdrucksstark reiner Tanz sein kann, wenn er mit solcher Überzeugung ausgeführt wird, das wird bei Kings Ensemble wieder einmal deutlich. Ein Lehrmeister, weniger ein Regisseur.
Link: www.linesballet.org
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier
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