Königliche Studenten tanzen
Royal Ballet School London, Öffentliche Probe im BGZ
Seit die Australierin Gailene Stock die Royal Ballet School leitet, befindet sich die berühmte Londoner Schule auch im internationalen Vergleich der großen Ballettakademien wieder im Aufwind. Zu den erfolgreichen Absolventen der letzten Jahre gehören zum Beispiel Lauren Cuthbertson und Steven McRae, die beide innerhalb weniger Jahre beim Royal Ballet zu Solisten aufsteigen. Erstaunlich viele gute Absolventen aber landen in anderen Kompanien - entweder greift das Royal Ballet nicht zu, oder die Schüler ziehen Engagements vor, wo sie bessere Aufstiegschancen sehen als beim scheinbar wenig durchlässigen Royal Ballet. So ging die langgliedrige, geschmeidige Genée-Gewinnerin Nutnaree Pipit-Suksun 2004 ebenso zum San Francisco Ballet wie die technisch superbe Französin Adeline Kaiser, eine der Gewinnerinnen des Prix de Lausanne 2005. Der Genée-Gewinner Alexander Jones tanzt heute beim Stuttgarter Ballett, sein RBS-Kollege William Moore ist dort bereits nach einer Spielzeit zum Halbsolisten aufgestiegen.
Bereits zum dritten Mal war nun eine Abschlussklasse der Royal Ballet School auf einer kleinen Tournee in den Städten um Stuttgart unterwegs, organisiert von Stephen Greenston, einem ehemaligen Solisten des Stuttgarter Balletts. Getanzt wurden beim Gastspiel in Waiblingen Ausschnitte aus drei großen Petipa-Klassikern und drei modernere Choreografien. Dass Letztere fast alle ein wenig epigonal wirkten, sei bei ihrem pädagogischen Wert verziehen; vor allem Paul Boyds Pas de deux „In Stillness We Meet“ erinnerte doch sehr stark an Neumeiers „Kameliendame“. Einige der diesjährigen RBS-Absolventen sind in Fachkreisen längst bekannt - die Schüler der Stuttgarter John-Cranko-Schule, die ihre englische Konkurrenz aus dem Parkett kritisch beäugten, wussten ganz genau, bei wem sie jubeln und kreischen mussten.
Der Ukrainer Sergiy Polunin zum Beispiel hat letztes Jahr den Prix de Lausanne und den Youth America Grand Prix gewonnen, Valentino Zucchetti holte den Genée-Preis. Polunin war denn auch der unumstrittene Star des Abends. Sein Auftritt im „Don Quixote“-Pas-de-deux war bis auf die dezent verwackelte Schlusspose vollendet, mit einer spektakulären Manège und sehr eleganten Drehungen. Gerade aber das spanisch-temperamentvolle Funkeln fehlte seiner ansonsten technisch zuverlässigen Partnerin Callie Roberts. Als weibliches Pendant zu Polunin erwies sich eher die Britin Claire Calvert in ihrem „Raymonda“-Solo, das perfekt im ungarischen Stil und mit dem unfehlbaren Selbstvertrauen getanzt war, das einigen der männlichen Absolventen der RBS einfach immer noch fehlt. Auch der eher kleine Italiener Valentino Zucchetti zeigte eine hinreißende Bühnenpräsenz und einen Puck-artigen Charme. Elsa Godard beeindruckte durch eine filigrane Technik, Jade Clayton mit schönen Armen und einem fließenden Bewegungsstil für die moderne Klassik, dem schmalen, großen David Moore aber fehlen bei aller sicheren Technik Elan und Strahlkraft.
Beim Thema Selbstvertrauen auf der Bühne schneidet die Stuttgarter John-Cranko-Schule immer noch besser ab. Bewunderswert sicher und fast immer nahtlos übereinstimmend tanzten die Gruppen - die vier Damen im Edelstein-Divertissement aus „Dornröschen“, das Corps in „Raymonda“, die Mädchen in „Don Quixote“ und vor allem das 12-köpfige Ensemble in „Jabula“, einem wilden Stück zum treibenden Rhythmus afrikanischer Trommeln und Gesänge des Filmkomponisten Hans Zimmer. In der athletischen, spannungsvollen Choreografie der Australierin Natalie Weir taten sich vor allem James Stout, Kerry-Anne O'Brien und wiederum Valentino Zucchetti hervor, der wie ein Derwisch über die Bühne wirbelte. Dann sind wir also gespannt, in welchen Kompanien diese jungen Tänzer landen werden.
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