Hansdampf in allen Gassen

Der Tänzer und Popsänger Eric Gauthier gründet eine neue Tanzkompanie in Stuttgart

Stuttgart, 27/04/2007

Seinen „Cross-over-Tänzer“ nennt ihn der Stuttgarter Ballettdirektor Reid Anderson, und das Publikum tobt, wann immer Eric Gauthier auf einer Bühne erscheint. Von Anfang an, als er mit 17 Jahren aus Toronto kam, war der Kanadier ein Publikumsliebling beim Stuttgarter Ballett, nicht nur in den witzigen Rollen, sondern als schnellster (und kleinster) Tänzer der Kompanie auch in den modernen Balletten von Forsythe und Konsorten. Seine eigentliche Berufung aber sah Gauthier als Popsänger, zuerst mit der Band Royaltease und später auch alleine. Anderson gewährte ihm jede nur denkbare Freiheit zum Aufbau seiner Popkarriere, zum Teil stand der Tänzer monatelang nicht auf der Bühne des Staatstheaters.

Nun hat er dort nach elf Jahren gekündigt, aber er geht nicht ins Musikbusiness, sondern er wird Ballettdirektor: Eric Gauthier gründet eine neue Tanzkompanie mit Namen Gauthier Dance, zu neudeutsch die „Resident Company“ des Stuttgarter Theaterhauses. Seit dem Noverre-Ballett, das von 1970 bis 1973 als Zweitkompanie vom Stuttgarter Ballett abgesplittert war, gab es in Stuttgart keine zwei Ballettkompanien mehr (wohl aber natürlich freie und zeitgenössische Gruppen). „Ich will kein zweites Stuttgarter Ballett machen“, sagt Gauthier zwar, aber wenn er, wie verkündet, tatsächlich mit Choreografen wie William Forsythe, Hans van Manen oder Paul Lightfoot verhandelt, dann klingt das doch ziemlich nach Konkurrenz - zumal Gauthier klassische Tänzer engagiert hat.

Mit 30 Jahren muss ein Tänzer etwas Neues machen, hatte sich der rastlose Gauthier vor einem Jahr gesagt und bei Theaterhauschef Werner Schretzmeier um einen Termin gebeten. Der war nach der erfolgreichen Stuttgarter Tanzplattform in seinem Haus dem Genre ohnehin zugeneigt und sagte Ja zur neuen festen Kompanie - worüber die freien Choreografen der Stuttgarter Szene bestimmt nicht schlecht gestaunt haben. Schretzmeier dürfte in Gauthier vor allem die Chance sehen, durch den charismatischen Hansdampf in allen Gassen ein neues, junges Publikum für den Tanz zu interessieren. Geld soll sowohl aus dem Theaterhaus-Budget wie auch von Sponsoren kommen; die Stadt Stuttgart, die sich mit Zuschüssen für den Tanzplan Deutschland so zierte, macht für mobile Auftritte der neuen Kompanie 25.000 Euro locker, Gauthier will damit in Krankenhäusern und Altenheimen auftreten und damit dem Vorbild seines Vaters Serge Gauthier nacheifern, eines bekannten kanadischen Alzheimer-Forschers.

Trotz seines unbestreitbaren Charismas erscheint die Verpflichtung des neuen Tanzdirektors ans Theaterhaus als Wagnis, denn Eric Gauthiers Choreografen-Karriere zählt gerademal zwei sehr kurze Stücke bei der Noverre-Gesellschaft. Sein Erstlingswerk „Lebenszeit“ aus dem Jahr 2005 ist mit dem Prädikat „zaghaft“ noch schmeichelnd umschrieben; erst das satirische Rap-Solo „Ballet 101“ aus dem letzten Noverre-Jahrgang war ein Erfolg. Vor kurzem gewann er damit den Kritiker- wie den Publikumspreis beim traditionsreichen Choreografen-Wettbewerb in Hannover, und genau hier scheint die Stärke von Eric Gauthier zu liegen: in witzigen, kabarettistischen Tanzstücken.

Wie gut der Ruf der Tanzstadt Stuttgart und offensichtlich auch Eric Gauthiers ist, beweisen nicht nur die knapp 100 Bewerber für die sechs Tänzerstellen, sondern das beweist vor allem die Herkunft der Auserwählten - sie kommen vom Staatsballett Berlin, aus dem Hamburger Ballett, von Les Ballets de Monte-Carlo und so weiter. Bereits bei den Auditions halfen Egon Madsen und Christian Spuck vom Stuttgarter Ballett, mit ihnen bereitet Gauthier auch die Premiere eines „Don Q.“ fürs Theaterhaus im September vor, die allerdings noch keine Produktion von Gauthier Dance ist. PR-mäßig ist der neue Ballettdirektor jedenfalls ein Vollprofi: Bereits die Entstehung seiner Kompanie wird kontinuierlich von einem Filmteam begleitet, der Freundeskreis „Friends of Gauthier Dance“ wirbt auf Hochglanzkärtchen um Sponsoren. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.

Links: www.ericgauthier.com / www.theaterhaus.com / „Don Q.“ im Theaterhaus

 

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