Raffiniertes Cinema-Theater
Das Béjart Ballet Lausanne bringt „Dixit“ zur Uraufführung
Posthume Uraufführung von „Le Tour du monde en 80 minutes“ in Lausanne
Rund 270 Werke hat der am 22. November verstorbene Maurice Béjart im Lauf seines Lebens geschaffen. Angesichts dieser gewaltigen Produktion gestand der Choreograf mehrmals, er könne nicht nur Meisterwerke schaffen, sondern müsse auch Flops in Kauf nehmen. „Le Tour du monde en 80 minutes“ ist weder das eine noch das andere, gehört aber sicher zum obersten Drittel der Skala. Das Ballet bezaubert durch Farbe, Leidenschaft und Witz.
Da reihen sich Szenen aneinander, die in Senegal oder Ägypten, Venedig oder Wien, Indien oder China, Brasilien oder San Francisco aneinander spielen: Länder und Städte, denen Béjart schon in früheren Werken gehuldigt hat. Eine ähnliche Reiseidee steckte auch hinter „La Route de la soie“ (1999), wo der Weg durch Griechenland, Orient und Asien führt. Dieses Ballett hat mit „Le tour du monde an 80 minutes“ eine weitere Eigenschaft gemeinsam: Es ist nicht alles original, was hier getanzt wird. Manche Kernszenen stammen aus älteren Stücken von Meister Béjart.
„Resteverwertung“ – so spötteln manche Kritiker. Aber auch mit Resten lässt sich ein apartes Menu zubereiten, mit schmackhaften Speisen samt exotischen Zutaten. Besonders, wenn sie von den wunderbaren Tänzern und Tänzerinnen des Béjart Ballet Lausanne präsentiert werden (bei Béjart muss man die Männer zuerst nennen, weil sie meist dominieren). Im neuen Stück brillieren einmal mehr Julien Favreau, Domenico Levrè, Alessandro Schiatarella, Elisabet Ros oder Karline Marion. Aber auch der Nachwuchs, der häufig aus Béjarts Rudra-Schule stammt, kann sich aufs Schönste profilieren.
Eine wichtige Rolle beim Zusammenstellen des Restemenus in „Le Tour du monde“ spielt Gil Roman, der nach Béjarts Tod die künstlerische Direktion der Truppe übernommen hat. Der 80-jährige Meister konnte zu Lebzeiten das Stück nämlich nicht fertig ausarbeiten, sondern nur den Rahmen festlegen und drei Bilder zu Ende choreografieren. Der 47-jährige Gil Roman erhielt von ihm den Auftrag, das Ballett im gleichen Sinn fertig zu stellen und dabei durchaus auch auf ältere Werke zurückzugreifen. Das gesteht Roman in einem Interview mit der Genfer Zeitung „Le Temps“. Im offiziellen Programmheft steht nichts darüber. Die Entstehungsgeschichte soll offenbar nicht an die große Glocke gehängt werden.
Der Name des neuen Balletts variiert den Titel von Jules Vernes Roman „Le Tour du monde en 80 jours“ (1873). In beiden Werken eilen die Figuren von Land zu Land. Viel weiter gehen die Gemeinsamkeiten aber nicht. Es gibt im Ballett keinen Phileas Fogg, keinen Diener Passepartout und keine indische Witwe, die dem Feuertod entrissen und am Ende von Fogg geheiratet wird. Sondern lediglich eine Abfolge typischer Béjart-Szenen: Dynamisch, verführerisch und technisch perfekt getanzt. Schwulst und Kitsch, die gerade einige der großartigsten Béjart-Werke bedrohen („Ring um den Ring“, „Le Presbytère“), bleiben in „Le Tour du monde“ ausgespart.
Die Tanzsprache? In den fremdländischen Szenen verwendet Béjart gern ethnische und folkloristische Details, die den Auftritten eine gewisse Authentizität verleihen. Aber tief gehen die Beziehungen nicht. Immer wieder bricht Béjarts spezifischer Stilmix durch, der vom klassischen Ballett ausgeht, aber in alle möglichen Richtungen ausufert. Man stößt auf Samba, Tap, Rap und auf Ballett, das mit nackten Füßen getanzt wird.
Auch der Musikteppich wirkt patchworkartig. Viel Traditionelles aus allen Kontinenten ist darin eingewoben. Dazwischen erklingen Werkteile von Béjarts Lieblingskomponisten wie Wagner, Vivaldi oder Strawinsky. Zweimal öffnet sich der Bühnenhintergrund: Dann spielt ein mitreißendes Schlagzeugtrio live. Komisches bleibt ebenfalls nicht ausgespart: Zu zügiger Volksmusik wackelt eine Gruppe von Pinguinen über die Bühne. Laut Programmheft leben die Tiere auf dem Nordpol. Was zoologisch nicht korrekt ist: Pinguine gibt es nur am Südpol!
Link: www.bejart.ch
Uraufführung am 20.Dezember 2007 in Lausanne
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