Tanzfreie Sportstunde der gewöhnlichen Art

„longer than expected“ halten Christina Ciupke und Mart Kango im Hebbel am Ufer durch

Berlin, 27/01/2007

Seit 1989 präsentiert Christina Ciupke Choreografien, in denen sie sich auf unverwechselbare Weise mit dem Körper auseinandersetzt: unterkühlte, spröde, minimalistisch karge Stücke, die beharrlich und sensibel den Tanz in ein multimediales Umfeld rücken, ihn Teil eines Gesamtkonzepts sein lassen. Was auf der kleinen, reizvollen Bühne des Ballhauses Naunynstraße begann, eroberte sich bald größere Spielstätten. Die wohl überzeugendsten Arbeiten gelangen ihr in Kollaboration mit der Fotografin Gisela Dilchert für das damalige Theater am Halleschen Ufer. Die nackte Haut wurde zur Projektionsfläche von Welt, wie Dilcherts Fotos und Videos sie einfingen und spiegelten.

Der anregenden Wirkung dieser Soli hält längst nicht mehr stand, was Christina Ciupke derzeit produziert. Nach „Subtitles“, einem faden Duo mit Nik Haffner um Unterwerfungsmechanismen, folgte nun „longer than expected“, ein Duett mit dem estnischen Tänzer Mart Kangro, ebenfalls 45 Minuten lang und wieder fürs HAU 3. Zwei Ertüchtigungssüchtige stählen sich verbissen und halten dabei, wie es der Titel ankündigt, länger durch als erwartet. Gelehnt an ihre Folterbänke in der Art präparierter Tischtennisplatten erwarten sie den Einsatz. Piepse aus der Konserve und spezielle Trailer strukturieren ihr Leben und geben vor, wie lange die einzelne Übung dauern muss, um maximalen Muskelerfolg zu erzielen. An Liegestütze schließen sich Brücke mit Beinwurf, Seilspringen, Strecksprünge, Hampelmann, Radfahren an. Aushängen an einem bühnenbreiten Reck gehört ebenso zu den Entspannungsteilen wie Relaxen im Liegen zu Adagioklängen. Doch auch das Ausruhen ist noch geschäftig vollgepackt: mit Folgen aus der Bauch-Beine-Po-Serie, wie Fitnessstudios sie im Repertoire haben. Und mit nachzusprechenden Englisch-Lektionen vom Band.

Mehrmals versuchen sich die beiden zwischendrin in riskant akrobatischen Elementen: Sie geht auf den Knien des liegenden Partners in den Dauerhandstand, wird vom Stehenden kopfüber gestemmt, dass man um ihren Absturz fürchtet, wagt sich ihm kühn zum einbeinigen Zweimannhoch auf die Schultern. Dann ruft wieder die Streckbank. Nirgendwo gönnt ihnen ihr unerbittliches Regime außer Trinken eine Verschnaufpause, das Selbstdiktat funktioniert bis zum Ächzen. Am Ende entschwindet zufrieden das quälfreudige Doppel; verlassen und einladend bleiben noch einen Moment die blauen Sportgestelle im Spot. Die Kondition der beiden Akteure mag man bewundern, und wohltrainiert sind sie nach der Aufführungsserie ganz sicher. Was für sie „bloß“ schweißtreibend ist, wirkt auf den Zuschauer indes nervenzerrend einförmig, weil unkommentiert und unverarbeitet auf die Bühne gestellt wird, was hier glossiert werden soll. Genau darin bestünde indes die Aufgabe der Kunst.


Nochmals 27. und 28.1., Hebbel am Ufer, Kartentelefon 259 004 27,
Infos unter 
www.hebbel-am-ufer.de und christinaciupke.com

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