Vietnams Aufbruch im Tanz
HipHop vom Mekong und Hommage an „Storm“ im Hebbel am Ufer
HipHop ist bühnentauglich geworden. In Frankreich hat Mourad Merzouki eine Fabel von Lafontaine inszeniert, in Brasilien sucht Bruno Beltrao den Kontakt zum modernen Tanz und nach Aussagen zur Zeit. Berlin zieht nun nach. Hier hat Storm alias Niels Robitzky, Deutschlands Star-HipHopper, zusammen mit Jugendlichen das HipHop-Märchen „Es war einmal“ entwickelt und für die Bühne des Hebbel am Ufer eingerichtet. Die Story, so einfach wie wirksam, spiegelt fantasievoll Alltag und Ängste einer tanzbegeisterten Generation.
Eine Gazekurtine teilt den Raum. Im projizierten Text liest man das Märchen von einer großen Stadt, ihrer lebendigen Clubszene, Tanz als einer universellen Sprache. Als Silhouette sieht man hoch oben den Diskjockey, unten tanzen die Schatten Jugendlicher. Als sie vor die Gaze treten, wird erlebbar, was universell meint: Ein multinationales Völkchen zwischen 12 und 20, alle im roten T-Shirt, feiert fröhlich ab. Bis eine düstere Gestalt mit Lockenperücke und einer Brille aus Dollarzeichen sie mit der Magie eines Zauberrings erstarren lässt und die Tanzenden bestiehlt. Nichts ist nach diesem Einfall der Macht des Bösen, wie es war. Misstrauen kommt auf, Einlasskontrollen in den Clubs werden nötig, Drogen gehen um, Schutzgelderpresser tauchen auf, vertreiben zuletzt selbst den DJ. Doch ohne Musik kein Tanz. Manche trainieren heimlich weiter. Als jemand auf der Straße ein Kofferradio abstellt, finden fünf streunende HipHopper ihren Spaß - bis ein Bus den Bluster wegfegt.
Traurig versammelt sich das Quintett an der Rampe: Schnalzgeräusche, wie Kaugummi sie erzeugt, werden zum witzigen Begleitrhythmus für Tanz. Die ersten neuen DJs suchen noch nach dem richtigen Sound, und ihr Publikum weiß genau, was es nicht will, Marsch etwa oder „Peter und der Wolf“. Als sich in die keimende Szene wieder der Böse mischen will, hat er diesmal Pech. Einer der Jungen widersteht der Magie des Rings, weckt die anderen aus der Starre. Gemeinsam besiegen sie zwar die fremde Macht, doch der fortgeworfene Ring explodiert. Schutzsuchend robben alle davon. Gottlob kehren die DJs und ihre jungen Kunden zurück, und wenn sie nicht gestorben sind, tanzen sie heute noch. So tröstlich enden auch HipHop-Märchen. Dieses hat auf sein Finale nur gewartet, denn endlich können die je elf Mädchen und elf Jungen so richtig loslegen.
Storm und sein Ko-Choreograf Raphael Hillebrand mischen für sie die Stile B-Boying, Locking und Popping zu einer für die Gruppe bewältigbaren Synthese, lassen in Formationen verschiedener Größe tanzen, nutzen für Filmeinblendungen und als durchsichtige Trennwand geschickt die Gaze. Akrobatisch, darstellerisch und tänzerisch formidabel: Hassan Akkouch, Mehdi Baki, Louis Becker, Mustapha Lehlouh und Abraham Marte als vibrierend individuelle Solisten.
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