Begegnung der eigenen Art

Im Hebbel am Ufer beherrscht der HipHop souverän die Theaterbühne

Berlin, 20/10/2008

Welch kreatives Potential im Breakdance steckt, wenn sich ihm Theater öffnen und er sich auf deren Möglichkeiten einlässt, dafür steht ein Doppelprojekt im Hebbel am Ufer. Sein erster Teil gehört mit Niels „Storm“ Robitzky dem weltweit tourenden Übervater der deutschen Szene, den es frühzeitig von der Straße auf die Bühne zog. Wie souverän, geistreich, witzig er sie und andere Medien unserer Tage zu nutzen weiß, zeigt sein halbstündiges „Solo For Two“. Dabei geht es um nicht mehr als die Begegnung mit dem alter ego, wie es per Video auftaucht. Manchmal, liest man auf der Leinwand, fühle man sich in Harmonie mit sich. Dann wieder suche man nach sich, renne gegen die Zeit an, glaube zu wissen, kämpfe gegen sich, fühle sich wie ein König, hänge herum.

In zehn verzahnten Episoden fahnden der reale Storm auf der Szene und sein filmisches Double dem eigenen Sein nach. Das findet im normalen Berliner Stadtraum zwischen Checkpoint Charlie und U-Bahn-Schacht statt und bietet Gelegenheit zu leichthin entworfenen tänzerischen Miniaturen, die stupendes Handwerk in Stilistiken wie B-Boying, Popping, Locking demonstrieren.

Mal lenkt sich Storm auf der Fahrbahn wie ein Scooter durch den nächtlichen Autoverkehr, wird zum ungelenk tapsigen Affen, der eben doch nicht weiß, schüttelt im Film als König King Kong die weiße Frau in seiner Hand, derweil sich der reale Tänzer markig auf die Brust trommelt. Dann klettert er auf der Bühne an einer schwindelnd hohen Film-Fassade empor und stürzt ab. Wie Sinuskurven flattern seine Arme, als er telefoniert, um am Ende festzustellen, er sei eben anders: In der finalen Filmsequenz bewegt er sich vorwärts inmitten von Passanten im Rückwärtsgang. Bis dahin hat er zu eigener Musikcollage mit seinem Double gestritten und herumgeflachst, sich besser kennengelernt und zieht offenbar nicht uneins mit sich von dannen.

Auch „Gemeinsam einsam“ der beiden Storm-Schützlinge Raphael Hillebrand aus Berlin und Sébastien Ramirez aus Perpignan dreht sich imposante 50 Minuten lang um Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit. Zuerst beulen Gesichter eine riesige Leinwand, dann räkelt sich ein amorpher Stoffklumpen, aus dem sich ein Wesen befreit. Auf dem Scheitel trägt es eine weiße Maske, die seinem tierhaft grotesken Muskelspiel zusätzliche Wildheit verleiht. Als sich hinter der Leinwand der zweite Mann dem Klumpen entwindet, blasen ihm Farbschlieren entgegen, muss er sich im Strichegewirr eines rotierenden Gerüsts bewähren, bis er vor einer weißen Tür landet. Hinter ihr erscheint die Maskengestalt als sein Spiegelbild. Zwischen beiden entwickelt sich ein irritierendes Mit- und Gegeneinander, bei dem sich Film und Realität, Wunsch und Wirklichkeit zauberhaft mischen. Eine dritte, rein virtuelle Verkörperung macht die Selbstsuche noch komplexer. Zum Schluss reichen sich die Schatten von Mann und Maskenwesen tastend und versöhnlich die Hand.

Mit virtuoser Akrobatik, überbordender Fantasie, Elementen des Schwarzen Theaters weisen auch Hillebrand und Ramirez in ihrer effektvoll trickreichen, bis ins Letzte ausgefeilten, vielerorts gefeierten Kreation dem HipHop einen Weg in die Zukunft: das erfundene, im Battle getestete Material nutzbar zu machen, um damit über den sportiven Aspekt hinaus etwas über das Befinden junger Menschen zu erzählen.

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