Katalanische Tanzwochen im Künstlerhaus Mousonturm enden

„Viatges a la felicitat“ vom Teatre Nacional de Catalunya

Frankfurt, 15/10/2007

Der Abschluss der Katalanische Tanzwochen im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm war wiederum eine deutsche Erstaufführung. Im Vergleich zur Festivalpremiere „Senza Tiempo“ (von Inés Boza) handelte es sich allerdings um eher schwere Kost. Das katalanische Nationaltheater förderte 2006 den zeitgenössischen Tanz, indem es sich öffnete für neue Projekte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Fünf renommierte Choreografen und Tänzer aus Spanien und Katalonien, und ein aus England stammender, inszenierten in ihrer jeweiligen Ästhetik rund um das Thema „Wege zum Glück“. Die meisten tanzen in ihren Stücken selbst mit und teils auch in denen der anderen. Gemeinsame Grundlage war ein Text des spanischen Autors Eduard Punset, „Viatges a la felicitat“, in dem dieser über das Glück im Leben philosophiert. Die Koordination übernahm die ebenfalls mittanzende, mehrfach ausgezeichnete Sol Picó.

Als Gesamteindruck dieses Tanzabends blieb hängen: es ist eher eine vergebliche und oft verzweifelte Suche nach dem Glück. Und: die Stücke der spanisch-katalanischen Choreografen sind kompromisslos bis an den Rand des Erträglichen. Die Suche der Menschen nach Glück scheint letztlich zum Scheitern verurteilt. Gibt es Glück doch erst im Jenseits, worauf die katholische Kirche vertröstet? Die Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten und fällt individuell unterschiedlich aus, wie bei den Choreografien. Thomas Noone wählt für „Before“ das Drama der Paarbeziehung, bei dem Sofaelemente ebenso für das Miteinanderkuscheln wie für das Runterschubsen, also gegenseitiges Abwehrverhalten aus Angst stehen. Jordi Cortés inszeniert „Tara“ rund um die Ausnahmetänzerin Germana Civera, die das Gegenbild der elegant-geschmeidigen, auf äußere Schönheit bedachten klassischen Balletttänzerin ist. Sie zeigt die Bezogenheit auf das eigene Selbst mittels ihres Körpers. Dies wird in der Cortés-Choreografie mit Hilfe von Objekten erarbeitet: drei kleine Bilderrahmen lenken die Aufmerksamkeit auf die jeweiligen Körperteile, vor die sie gehalten werden. In ihrem eigenen Stück „The Forest“ demonstriert Germana Civera die Bewegungen einzelner Muskeln an nicht für möglich gehaltenen Stellen des Körpers. Das Ganze geschieht in radikaler Nacktheit und Langsamkeit, bevor das Bühnenbild in grelle Sound- und Lichtexplosionen gehüllt ist, die sie zum verzweifelten Rennen im Kreis treiben. Am Ende: Stille, eine schützende Stoffhülle, unbewegliches Stehen und ein leerer Blick. Das Zurückgeworfensein des Zuschauers auf sich selbst.

Montse Sanchez geht in „El último vuelo“ der Frage nach, ob wir es uns selbst erlauben können, glücklich zu sein. Sie ist die Einzige, die Elemente des Flamencos integriert. Das Glück liegt für die erste Tänzerin in der Rhythmik der Flamenco-Gitarre, für den folgenden Tänzer im weiblichen Part des Flamenco-Tanzes (inklusive Rüschen besetztem Rock). Die wohl mitreißendste Darbietung des Abends kommt von einer zierlichen kurzhaarigen Frau auf Spitze, die in knallroten Ballettschuhen den männlichen Tanzpart des Flamenco zum Klatschen der Hände der vorführt, und das in einer umwerfend kraftvollen und dynamischen Weise.

Das letzte Stück „A 29º del paraíso“ integriert theatralische Element, wie es für die Choreografin Inés Boza typisch ist. Hier trifft sich eine vierköpfige Familie, der wir beim Fernsehgucken zuschauen dürfen, deren Mitglieder abwechselnd ein Kunststoffsofa eine Treppe hochschleppen, von der es donnernd wieder runterrutscht. Hier ist es einmal der Tänzer, der sich bis auf die letzten Fasern auszieht; er eilt dabei geschäftig hin und her, offenbar um sich einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher zu machen. Auf dem Sofa wird auch schon mal eine Mini-Talkshow inszeniert, wobei die nun nicht mehr überraschende Frage gestellt wird: ist es möglich über Glück zu sprechen, ohne über Liebe zu reden. An den Anfang des gut zweistündigen Tanzabends positioniert, hätte diese Choreografie das Verständnis der anderen womöglich vereinfacht, da auch Projektionen von Texten Eduard Punsets an die Rückwand erfolgen. So aber, ans Ende gesetzt, entlässt es das Publikum zwar nachdenklich, doch mit guter Laune und hoch beeindruckt.

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