„Adom“ von Zufit Simon und „Instillen“ von Philip Bergmann

XtraFrei Festival und Forum in der Schwankhalle Bremen

Bremen, 14/06/2008

Klein, aber fein ist die Schwankhalle am Buntentorsteinweg in Bremen, eine gemütliche Atmosphäre umfängt die Besucher gleich beim Eintritt, ganz im Gegensatz zur riesigen Eingangshalle auf dem vergleichsweise gigantischen Kampnagel in Hamburg. Hier fand vom 6. bis 13. Juni XtraFrei statt, ein „Festival und Forum für Zeitgenössische Tanzprojekte im Rahmen von Tanzplan Bremen“, initiiert von „steptext dance project“. Neben Podiumsdiskussionen, Videos und Film (über die Entwicklung der Tanzplattform seit 1994) präsentierten die Veranstalter Produktionen aus Norddeutschland, genauer aus Hamburg „Solo“ von Lina Lindheimer und „Lichtung“ von Anne Rudelbach/Antoine Effroy sowie aus Braunschweig „Adom“ von Zufit Simon und „Instillen“ von Philip Bergmann, beide von der Tanzwerkstatt artblau, beide an einem Abend vorgeführt. Die beiden letzteren Choreografien habe ich mir angesehen. Gemeinsam ist ihnen der ausschließliche Gebrauch des Tanzes ohne Texte und Filmmedien. Klänge, Geräusche begleiten die Aktion. In Intensität und verdichteter Spannung liegen sie weit auseinander.

Zufit Simon buchstabiert mit ihrer Partnerin Brit Rodemund sensibel und fantasievoll einen Kanon von Bewegungen durch, der bei der symbiotischen Gemeinsamkeit am Boden beginnt und bei der abrupten Trennung in der aufgerichteten Haltung endet. Auch ohne zu wissen, dass sich Simon von Blut (=hebräisch laut Programmzettel: DAM), Mensch (=ADAM) und Erde (=ADAMA) hat inspirieren lassen, entfaltet sich für den Zuschauenden aus dem rein körperlichen Ablauf eine fesselnde Sogkraft. Wie ein Wesen mit vier Gliedmaßen verbinden sich die beiden am Boden miteinander, drehen die Köpfe wie einer, spreizen die Hände, schieben die Arme nach außen, rollen schließlich auseinander, um gleich wieder fast kreuzförmig übereinander zu liegen.

Zarte Klänge wie mit Kinderstimmen versetzt ertönen dazu. Sie rutschen rücklings mit Hüftschwenken über die Fläche, eine streckt die Beine seitlich zur Pose, die andere verharrt im halben Schulterstand. Nun taucht eine unter die andere, die sich auf Hände und Füße abstützt, sie verschmelzen zu einem „Tier“ mit acht Beinen, das sich in einer Art Zeitlupen-Kampf ineinander verknotet. Aus der Beuge, Oberkörper nach vorn zu den Beinen geklappt, ziehen sie mit den Fingerspitzen an den Zehen der Partnerin, versetzen den Fuß, vorsichtig, fast feierlich. Eine feinsinnige Komik entsteht wie nebenbei, die sich fortsetzt in dem folgenden Ziehen, Zerren an den Kleidern, als wollten sie die Haltbarkeit des Stoffes testen. Mit einem Mal gehen sie auseinander: Gut getimter Schluss nach 20 Minuten. Der Gegensatz zwischen der Schwere des erdgebundenen Körpers und dem Drang des Kopfes nach oben – wie es Simon sieht - mündet im Kompromiss: Beine auf dem Boden, Schädel, wenn nicht ganz oben, so doch aufrecht in der Luft.

Durchschossen von nur wenigen schnellen Momenten, beschränkt sich im 40minütigen „Instillen“ von Philip Bergmann hauptsächlich auf gedehnte, extrem verlangsamte Abläufe. Als entstünden sie in diesem Augenblick schälen sich nach und nach drei, am Boden harrende Gestalten – Ai Inomoto, Lotte Rudhart, Katharina Nieradzig – aus dem Dunkel, bewegen die Arme, drehen den Körper in quasi gebremster Weise als steckten sie in zähem Sirup. Die drei Frauen tragen lange Haare, die wie ein Vorhang das Gesicht verdecken, bis sie mit der Hand nach hinten gestrichen werden. Entstehung, Vergehen und Neubeginn sind das Thema, dem sich Bergmann zu widmen meint, er zitiert dazu im Beizettel einen Ausspruch aus dem Baghavadgita, einem indischen spirituellen Gedicht des Hinduismus (wenn man Wikipedia glauben mag). Das Trio arbeitet sich von Raumposition zu Raumposition, durch Biegungen der Körper. Plötzlich erscheint ein Mann und verteilt mit einer Art Schneeschieber ein schwarzes, schotterähnliches Material auf der Bühne. Worauf die Drei mit den Händen und Füßen die Steinchen zu neuen Formen ausbilden, unversehens wie wild über die Bühne toben. Sie heben das Material auf und lassen es am Körper herabrieseln. Ai Inomoto hockt sich hin, schiebt die Masse von sich weg bis ein fast perfekter Kreis um sie herum entsteht. Eine Kollegin trägt eine Schüssel zu ihr und beginnt sie mit rosa Sand zu bedecken, der herabrieselt, als sich Inomoto auf den Knien immer schneller im Kreis dreht. Das Licht verlöscht langsam, im Dunkel hört man nur noch das schabende Geräusch der „Dreherin“.

Die Schilderung mag über die Langeweile hinwegtäuschen, die sich mehr und mehr einstellt, je länger das Stück dauert. Bergmanns Bewegungsfundus wird durch die Dehnung nicht verdichtet, sondern seine Beschränktheit auf wenig inspirierte Substanz wird sichtbar. Der behauptete Sinn entpuppt sich als lediglich prätentiöse Absicht, die sich mangels Erfindungsmasse in verquaste, pseudo-meditative Langsamkeit und Kopieren von längst bekannten Vorlagen zu retten versucht. Ärgerlich.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern