„15 Years Alive“
Gauthier Dance mit einer grandiosen Jubiläumsgala im Theaterhaus Stuttgart
Das Debüt von Gauthier Dance im Theaterhaus
Die Sechs vom „Six Pack“-Debütprogramm der Gauthier Dance Company im Theaterhaus sind eigentlich acht – im Grunde sogar neun, wenn man Stephan Moss‘ Stimme aus dem Off dazu rechnet. Aber der Titel bezieht sich auf die Anzahl der Stücke, nicht auf die Zahl der beteiligten Personen, die sechs Tänzerinnen und Tänzer, zu denen Eric Gauthier, der Chef der neuerdings am Pragsattel Residierenden, und der Schauspieler Günter Brombacher noch hinzuzuaddieren sind. Doch da sie sich nun mal als tänzerische Opposition der Stuttgarter Offszene verstehen, liegt es natürlich nahe, ihnen einen dem Pop-Gebrauch entsprechenden Namen zu geben. Es muss ja nicht gleich der von den Sex Pistols des Balletts sein – aber ihre Sechser-Bande fordert natürlich geradezu heraus, ihr I in ein E umzuwandeln.
Jedenfalls gaben sie sich mit ihrem ersten Auftritt so frisch, (un-)fromm und fröhlich und so augen-, fuß- und hüftzwinkernd (haben Sie mal versucht, mit den Hüften zu zwinkern?), dass man schon auf den gar nicht so abwegigen Namen kommen kann. Was sogleich beeindruckte, war der schiere Professionalismus des ganzen Unternehmens. Das beginnt mit dem Programmheft, dessen Format exakt den Programmheften am Broadway entspricht, und setzte sich fort in den sechs Monologen, in denen sich die Sechs vorstellten – sechs tänzerischen Autobiografien, wie sie wurden, was sie sind, von ihnen mit eben so viel schauspielerischem und deklamatorischem Witz wie tänzerischer Virtuosität serviert. Ein fulminanter Auftakt! Gefolgt von Itzik Galilis Solo „2nd Monkey“ für Gauthier, der sich hier ein Duell mit dem nölenden Choreografen aus dem Off leistet, der ihm rät, doch lieber mit dem Tanzen aufzuhören – was er aber Gottseidank nicht tut – und hoffentlich noch ein paar Jahre ignoriert, denn Tänzer mit seinem funkenstiebenden Charisma sind höchst selten gesät. Und dann also, vor der Pause, noch ein veritables Tanztheaterstück „The Blind Leading the Blind“ über die Sehnsucht und Frustrationen eines Blinden (mit lächelnder Bonhomie der Schauspieler Günter Brombacher) und die Schärfung seiner außervisuellen Sinne für die von den Tänzern gestalteten szenischen Episoden (von Gauthier pointiert choreografiert).
Der zweite Teil beginnt dann mit Charles Moultons „Ball Passing“, einem harmlos-lustigen Ballspiel-Sextett, das den Beteiligten mehr manuell-artistische als tänzerische Fähigkeiten abverlangt. Dann kommt auch schon der Höhepunkt des ganzen Abends: Gauthiers „Air Guitar“, in dem er als Virtuose des Luftgitarrenspiels in vier Variationen eine ganze Geschichte des Gitarrenspiels präsentiert, von dem Klassiker Andrés Segovia über den Flamenco bis zu den Electro-Guitarristen der Rockszene. Ein regelrechter Show-Stopper! Einmal mehr bedauert man, dass die Stuttgarter Ballettdirektion während seiner Mitgliedschaft kein eigenes Rockballett für ihn choreografieren ließ!
Mit dem bei Paul Lightfoot und Sol Léon eingekauften holländischen „Susto“ konnte ich mich weniger befreunden. Der ständig aus einem großen Trichter rinnende Sand als Symbol für den nicht aufzuhaltenden Ablauf der Zeit (und mit ihm die kurze Karrieredauer eines Tänzerlebens): gut und schön – doch mit der sandigen Feinstaubverschmutzung des Eröffnungssatzes von Beethovens fünfter Sinfonie wirkte das Finale des Programms für mich eher als eine Warnung vor dem nun offenbar auch das Theater bedrohenden Klimawandel. Was indessen die Hoffnung auf eine gesicherte Weiterexistenz von Gauthier Dance am Stuttgarter Theaterhaus nicht mindert! Link: www.theaterhaus.com
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