Platel goes Butoh
Deutsche Erstaufführung: „C(h)oeurs" bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen
Die New Yorker Kompanie ZviDance beendet die ambitionierte Tanzreihe der Schlossfestspiele
Zwischenmenschliche Beziehungen sind das Lieblingsthema der New Yorker Tanzkompanie ZviDance, die am Samstag die interessante Reihe der Tanzgastpiele in der Ludwigsburger Karlskaserne beschloss. Benannt ist die kleine Truppe nach ihrem Direktor Zvi Gotheiner, einem israelischen Choreografen in den USA. „Personals“ heißen im Englischen die Kleinanzeigen in der Zeitung, Kontaktanzeigen im Stile von „Sie sucht ihn“. Genau das zeigten die zehn Tänzer im gleichnamigen ersten Stück – sie priesen sich in vielen kurzen Solos an, erzählten mit Händen und Füßen von sich, einer hatte sich sogar die Telefonnummer auf die Brust gemalt. Die Liebesuchenden stellten sich zum Speed-Dating an und jeder Selbstzweifel, jede neue Hoffnung schimmerte auf ihren Gesichtern auf. Paare fanden sich auf der Tanzfläche und verloren sich wieder, die Duos waren witzig oder melancholisch, Beziehungen funktionierten oder eben nicht.
Nicht nur durch die lockere Freizeitkleidung oder die stark rhythmischen, scharfzüngigen Popsongs von Nick Cave wirkte Gotheiners Stück so aktuell und spontan. Hier tanzten Leute von heute, nette Typen von nebenan oder empfindliche Großstadt-Yuppies, Menschen wie du und ich – weshalb sie auch alle bei uns im Publikum saßen und dorthin nach ihren Solos wieder zurückkehrten. Kein wahnsinnig originelles, aber ein sympathisches Stück.
Bei aller Großstadt-Modernität praktizieren Zvi Gotheiner und seine kleine Kompanie eine etwas ältere, einfachere Art von Tanz, wie er unter den Bewegungszertrümmerern und intellektuellen Tanztheaterverrätslern in Europa derzeit nicht sehr angesagt ist. Gotheiner denkt nicht über verbrauchte Schritte nach, sondern er choreografiert kleine bildhafte Szenen und stellt dabei immer den Inhalt über die Form. Es ist ein Tanz, der sich voll Schwung in die Musik wirft, aus Lust am Tanzen und am Leben, ein Stil voll Rhythmus, Energie und athletischer Kraft, expressiv und weit ausholend. Beeinflusst wurde er von der Folklore aus Gotheiners Heimatland Israel, was sich im nächsten Stück, in Strawinskys „Les Noces“ in Volkstanzstrukturen wie Ketten, Reihen oder Kreisen zeigte. Mit den eckig abgeknickten Füßen und Knien ähnelt der Stil auch ein wenig dem Schweden Mats Ek, ohne je dessen skurrile, unheimliche Düsternis erreichen zu wollen.
„Les Noces“, 1923 geschrieben für die legendären Ballets Russes, zeigt hier keine bestimmte Hochzeit, sondern viele Paare, vielleicht die Gäste bei einer Hochzeit, die sich miteinander vergnügen. Wie schon in „Personals“ (die beiden Stücke ähnelten sich fast zu sehr) kommen dabei ganz selbstverständlich auch weibliche oder männliche Paare zusammen, noch so ein moderner Touch bei ZviDance. Rasend schnell geht es im Kreis herum, bevor zum Schluss ein Mann und eine Frau den gemeinsamen Schritt wagen. Er geht ins Leere. Blackout.
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