„Die beste Rolle, die es im Ballett gibt“

Robert Tewsley über Kenneth MacMillans Choreografie von „Mayerling“

Wien, 27/10/2008

Das Leben von Kronprinz Rudolf jenseits von „Sissi“-Klischees - die Uraufführung von Kenneth MacMillans Choreografie von „Mayerling“ in London erregte 1978 viel Aufsehen. Ab 28. Oktober steht die Inszenierung des Meisters des psychologisch motivierten Handlungsballetts erstmals auf dem Spielplan des Balletts der Wiener Staatsoper und Volksoper.
Ein Gespräch mit Robert Tewsley, der Kronprinz Rudolf nach London nun auch an der Wiener Staatsoper tanzen wird.

Redaktion: MacMillans Kronprinz Rudolf zählt zu den anspruchsvollsten Rollen im Ballettrepertoire. Wie stark ist der Bezug zur Geschichte?

Robert Tewsley: Rudolf ist die beste Rolle, die es im Ballett gibt. „Mayerling“ zu tanzen heißt fünf Leben zu gestalten. Die Geschichte der Habsburger ist für Wien. Ich habe viel darüber gelesen und Mayerling besucht, bevor ich wusste, dass ich Rudolf tanzen werde. Der Kronprinz hatte ein aufregendes Leben. Das Schicksal setzte ihn zur falschen Zeit an den falschen Ort.

Redaktion: Was macht Rudolfs Faszination heute aus?

Robert Tewsley: MacMillan schuf ein Ballett für einen Mann in einer ungewöhnlichen Konstellation. Rudolf tanzt mit fünf Partnerinnen, während es im klassischen Ballett meist nur eine oder zwei gibt, und die Frauen oft im Vordergrund stehen. Er zeigt viele Facetten, die über das Historische hinausgehen. Einen außergewöhnlichen, verzweifelten Mann, der auf der falschen Seite steht, sich in seiner Haut nicht wohlfühlt, Affären sucht. Er hatte politisch revolutionäre Ansichten und stand als Kronprinz unter riesigem Druck. Heute gibt es viele Menschen, die in die Öffentlichkeit drängen und berühmt sein wollen. Rudolf hatte keine Wahl. Er ist aus dem Gleichgewicht geraten zwischen allem, was man haben kann, und allem, was man machen muss.

Redaktion: „Mayerling“ rückt nicht nur die fatale Nacht vom 30. Jänner 1889 in den Mittelpunkt.

Robert Tewsley: Die Entwicklung ist auf das Ende ausgerichtet. Zuvor gibt es positive Momente im Ballett. Vom heutigen Forschungsstand betrachtet, stimmt die Beziehung zu Rudolfs Frau Stephanie im Ballett nicht. Am Anfang hat er sie geliebt, die Schwierigkeiten kamen später. Ein entscheidender Einschnitt ist seine Syphilis-Erkrankung, die ihn zum Morphium treibt. Ein weiterer Schritt ist das erste Treffen mit Mary Vetsera, das er genießt, zugleich der Anfang vom Ende. Ich glaube nicht, dass er in sie verliebt war, viel mehr sie in ihn. Rudolf war von Waffen besessen, und die Medizin heute weiß, dass die Syphilis verrückt macht.

Redaktion: Wie verlaufen die Proben in Wien?

Robert Tewsley: Es ist ein sehr positiver Prozess. Wir führen tiefe Gespräche über die unterschiedlichsten Beziehungen. Mit dieser Zusammenarbeit bin ich sehr zufrieden. Es ist eine große Freude Rudolf in Wien zu tanzen.
Bis 30. 1. 2009 laufen zwei Ausstellungen zum 150. Todestag von Kronprinz Rudolf. Die Jagd ist Thema im Kronprinzenappartement in Schloss Schönbrunn. Seine Lebensspuren zeichnet das Hofmobiliendepot nach.
www.hofmobiliendepot.at

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