Schaumschläger

Eine „Dionysos“-Uraufführung von Ismael Ivo

Stuttgart, 15/03/2008

Es passt einfach nicht zusammen. Um Dionysos soll es gehen, den griechischen Gott der Ekstase und der wilden Tänze, den Gott des Weins, der als Stier verkleidet auftritt und der wilden Erde besonders verbunden ist. Warum erklingt dann ein Agnus Dei aus der christlichen Liturgie, warum schwimmt der Solist des Abends in einem Wasserbassin und bewegt sich minutenlang nicht?

Weil er Ismael Ivo heißt. Wieder einmal kehrt der schwarze Tänzer aus Brasilien mit einem seiner einstündigen Tanzsolos nach Stuttgart zurück, wo er Mitte der 90er Jahre Triumphe feierte, damals noch im Theaterhaus. Jetzt gastiert der inzwischen über fünfzig Jahre alte Wahlberliner im kleinen Wilhelmatheater, wo er die Tanzsolo-Installation „Die Nacht des Dionysos“ uraufführte, eine ins Wasser verlegte Variante seiner bisherigen One-Man-Shows. Hier schlägt sich unser Protagonist in seiner durchsichtigen Wanne erstmal selbst den Schaum, aus dem er dann geboren wird (Aphroditen-, nicht Dionysos-gleich), bevor er sich auf die Tanzfläche fallen lässt, die ebenfalls zentimeterhoch von Wasser bedeckt ist. Die Wasserfläche wirft changierende, konzentrische Schattenkreise auf die Rückwand, spritzt im grellroten Licht auf wie Blut.

Dann wird viel Text projiziert, ein Schwarzweißfilm zeigt eine aggressive Menschenmenge und Ivo führt nacheinander die Attribute des Dionysos vor. Dessen Maske ist hier eine weiße Latexmaske aus der Sadomaso-Szene, Wein gibt es im Glas oder als roten Blutstrom von oben herab, die Bockshörner werden angedeutet und sogar das viele Wasser lässt sich zur Not mit Dionysos, dem Seefahrer in Verbindung bringen. Nach elektronischer Geräuschmusik und einem Schostakowitsch-Streichquartett erdröhnen die extatischen Trommeln der Tambours du Bronx und am Schluss tanzt Ismael Ivo tatsächlich doch noch, was hier aber seltsam klassisch und eher apollinisch-kontrolliert anmutet. Für das Design des Audio-Video-Environments (das, was man früher Ausstattung nannte) zeichnen Marcel Kaskeline und Fender Schrade verantwortlich, die Tonqualität ist exzellent und die Lichteffekte sorgen fast für mehr Aufregung als der Erfinder des Abends. Denn Ivo beweist wenig Sinn für Timing, er überdehnt oder wiederholt zu oft, bis dann am Schluss das intellektuell-verschnulzte „Agnus Dei“ von Rufus Wainwright wieder einsetzt. „Qui tollis peccata mundi“, „du nimmst die Sünden der Welt auf dich“ - wieder einmal steht der Tänzer in Opferpose, er hat gelitten und sich gequält. So will sein Publikum ihn sehen und bejubelt ihn am Schluss minutenlang. Ob Dionysos, ob Robert Mapplethorpe oder die Apocalypse - ganz egal, welches Thema Ismael Ivo sich vornimmt, es geht doch immer nur um ihn selbst.

Link: www.wilhelma-theater.de

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