Triple Bill and double A-Quality
Balé da Cidade de São Paulo bringt drei Deutschlandpremieren ins Forum Ludwigsburg
Akram Khan und Sylvie Guillem mit der Deutschlandpremiere von „Sacred Monsters“
Sie kann das, was man sich von den großen Theatergöttinnen des 19. Jahrhunderts erzählte - einen ganzen Saal in völlige Stille bannen, ein Publikum in atemlose Spannung versetzen, in der für einige Momente nichts anderes wesentlich ist als nur ihre Kunst. Zwanzig Jahre lang galt Sylvie Guillem mit ihrer brillanten, bis ins Letzte verfeinerten Technik und einer durchaus eigenwilligen Persönlichkeit als die beste Ballerina der Welt.
Jetzt arbeitet sie mit zeitgenössischen Choreografen und stellt mit über vierzig noch immer das unerreichbare Idealbild jedes Tänzers dar. Vollendet und mit eleganter Leichtigkeit beherrscht sie ihren Körper wie ein kostbares Musikinstrument. Als „Sacred Monster“, eine Anspielung auf die Monstres sacrés der Bühnenkunst wie Sarah Bernhardt, gastierte diese große Künstlerin am Donnerstag im Ludwigsburger Forum am Schlosspark, gemeinsam mit dem indischen Briten Akram Khan, einem der Stars des ethnisch gefärbten modernen Tanzes.
Zwei heilige Monster also, deren Voraussetzungen kaum unterschiedlicher sein könnten - sie groß und schmal, mit klassischem Balletttraining, er kleiner und kompakter, ein kahler Charakterkopf und ausgebildet im traditionellen indischen Kathak. Sie stehen sich in Hingabe und Perfektion in nichts nach. Beide brechen aus dem reinen Klassizismus ihrer Kunst aus und wildern im zeitgenössischen Terrain, beide überschreiten die Grenzen und suchen nach neuen Ausdrucksformen. Guillem steigert sich in einem Solo des „Cloud Gate“-Choreografen Lin-Hwai Min von der Meditation und kontrollierten Spannung des asiatischen Tanzes in einen wirbelnden Rausch hinein, faltet dabei in lächelnden, überirdischen Balancen immer wieder ein Bein senkrecht nach oben. Khan beginnt mit einem klassischem indischen Kathak-Solo samt Glöckchen an den Fußfesseln, er dreht rasend schnelle Pirouetten und lässt seine Hände wie feine Blumen aufblühen. Dazwischen unterhalten sich die beiden „Heiligen Monster“ über Sinn und Herkunft ihres Tanzes, über den inneren Trieb, etwas Neues wagen zu müssen, über die kleine Sally aus „Charlie Brown“ oder darüber, ob man Krishna, dem Gott mit den langen Haaren, wohl auch mit einer Glatze tanzend huldigen kann.
Der Bühnenraum ist eine helle Gletscher-Höhle mit Aussicht, von der raffinierten Beleuchtung in völlig unterschiedliche Stimmungen getaucht. Drei Musiker und zwei Sänger spielen Weltmusik, eine Fusion aus indischen und europäischen Klängen von Sprechgesang über hüpfende Rhythmen bis zu meditativen Harmonien. Immer wieder finden sich Sylvie Guillem und Akram Khan dann zu Duos, gleich das erste verschmilzt die Weichheit ihrer klassischen Port de bras mit den sprechenden Armen des indischen Tanzes zu einem hypnotischen Wellenband. Ein fröhlich zuckender Cartoon für zwei Marionetten bringt uns zum Thema Kindheit, zuletzt schlingt Guillem die Beine um Akram Khans Taille und in einem religiös-erotischen Duo werden sie zur mehrarmigem Götterstatue. Eine kurze Stunde dürfen wir zuschauen, wie zwei Weltstars die tiefe Bedeutung ihrer Kunst im heiteren Spiel damit finden.
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