Wo Ost und West zusammentreffen

Sylvie Guillem und Akram Khan mit „Sacred Monsters“

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Ludwigsburg, 30/04/2008

Nein, Kipling hat doch nicht Recht mit seiner Behauptung, dass Ost und West nie zusammentreffen! Sylyie Guillem, französische Superballerina, und Akram Khan, britischer Modern Dancer mit asiatischen Wurzeln, sind angetreten, ihn mit ihrem Programm „Sacred Monsters“ zu korrigieren. Im Ludwigsburger Forum am Schlosspark beweisen sie siebzig pausenlose Minuten lang, wie viel Ost und West voneinander profitieren können – sie als eine Virtuosin der klassisch-akademischen Balletttechnik und er als ein Guru des indischen Kathak.

Zusammen mit drei Musikern an Violine, Cello und Perkussion und zwei Sängern reihen sie Soli und Duos tanzend und radebrechend in allen möglichen Sprachen aneinander, beschwören Erinnerungen an ihre Kindheit und ihre professionelle Ausbildung, meditieren über ihr Selbstverständnis als Künstler in der heutigen Welt und beziehen sich mit ihrem Titel weniger auf die „Monstres sacrés“, die großen Schauspiel-Diven des 19. Jahrhunderts à la Rachel, Sarah Bernhardt und die Duse, und auch nicht auf die Popstars der heutigen Szene im Umkreis von Madonna und Michael Jackson, sondern, frei nach Guillem, auf „Die Bühne … ein Monster … mein heiliges Monster“ (und wohl auch ein wenig ironisch auf sich selbst und ihren Status als Kultfiguren der globalen künstlerischen Korrektheit).

Das ist aus unserer Perspektive ebenso exotisch wie ästhetisch berückend anzusehen, ein die Sinne narkotisch umnebelndes Spektakel. Wobei sie von ihrer Zusammenarbeit mit den asiatisch geprägten Choreografen Akram Khan und Lin Hwai Min (vom Cloud Gate Dance Theatre aus Taiwan) in der Erweiterung ihrer technischen Möglichkeiten mehr profitiert hat als er, der als sein eigener Choreograf (und in der Zusammenarbeit mit Gauri Sharma Tripathi) seinen indischen Wurzeln stärker verhaftet bleibt – und gerade mit der Rasanz seiner minimierten Fußtechnik am meisten beeindruckt. Wie Guillem jede Faser ihres Körpers, jeden Muskel und dazu auch ihr Knochengerüst geradezu juwelierhaft zugeschliffen und zu höchster Expressivität perfektioniert hat, dass macht ihr heute in der ganzen Welt keine einzige andere Tänzerin nach.

In dieser Hinsicht ist sie die legitime Nachfolgerin des legendären Fabergé – mit ihrem eigenen Körper als Material. Nicht zuletzt insofern ist sie der lebende Beweis, wozu ein in der klassisch-akademischen Technik virtuos ausgebildeter Tänzer fähig ist (und führt so das Gerede von dem in sein klassisch-akademisches Korsett gezwängten Tanzsklaven ad absurdum). So wird ihr Abend, vom Publikum geradezu enthusiastisch aufgenommen, zu einer hochwillkommenen Demonstration, dass es vielleicht doch möglich sein könnte, die immer wieder behauptete These von der Unvereinbarkeit der östlichen und westlichen Kultur zu überwinden.

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