Ritual des neuen Mannes
„Lemniskata” von Lukas Avedaño feiert auf Kampnagel Europapremiere
„Remake/Replugged“ von Angela Schubot/Two Fish und “Like This, Like That” von Litó Walkey/Carlos Pez auf Kampnagel
Die eine, Angela Schubot (Choreografin und Tänzerin), sucht allein, erst im vollkommen kahlen Raum mit nackten, schrundigen Wänden, dann im kleinen Saal auf weißer Fläche, zweiseitig eingegrenzt von einem Podest, im ersten Stück „Remake“ musiklos, im zweiten „Replugged“ mit krachendem Heavy Metal. Die anderen, Litó Walkey und Carlos Pez, erproben zu zweit in „Like This, Like That“ so dies und das inmitten von hochformatigen, transportablen Fotostellwänden, auf denen Teile eines Birkenwaldes abgebildet sind. Gemeinsam scheint ihnen, dass der Weg das Ziel ist, die Suche an sich. Kein fertiges Produkt, verdichtet, konzentriert, strukturiert, schält sich heraus.
Wie gefangen im Käfig des eigenen Körpers präsentiert sich Schubot in „Remake“, die Arme sind oft nach innen gedreht, wirken steif wie Stöcke, der Rumpf zieht sich bogenförmig zusammen. Sie wechselt zwischen in sich gekehrtem Stehen, Gehen, Laufen und meist auf der Stelle verharrenden Bewegungen, die sich bis zu seltenen Sprüngen aufschwingen. Mit dem Rücken zum Publikum lässt sie ihren Kopf unter der Schulterlinie verschwinden, am kopflosen Rumpf spreizt sich ein starrer Arm seitlich weg, als taste er sich in den Raum. Manisch gesteigerte Kopfbewegungen mit peitschendem Pferdeschwanz münden in die Anfangsposition: Stehen, mit dem Rücken zu den Zuschauern – Ende und Anfang zugleich.
Selbst wenn Schubot Bewegungsimpulse den ganzen Körper erobern lässt, befreit sich dieser nicht, bleibt wie verkrampft nach innen gekehrt. Seltsam unsinnlich wirken die Aktionen, Harmonie mit ihrem Körper will oder kann Schubot offenbar nicht schaffen. Das wirkt manches Mal grotesk, aber nicht traurig. Ihr nach innen gekehrter Gesichtsausdruck unterstreicht diesen Eindruck, der sich auch beim musikalisch losgelassenen „Replugged“ nicht ändert. Zur brutalen Rockmusik von Acid mothers temple (Occie Lady) legt sie einen wild zuckenden Tanz hin, der nicht in den Raum tobt, sich vielmehr am Platz festbeißt. Auch hier vermeidet Schubot (von Two Fish aus Berlin) leidenschaftlich entäußerte Dance-Trance, der Körper gelangt gewollt nicht zu entfesseltem Bewegungsdrang. Viel Leerlauf stanzt Löcher in das Geschehen, das dauernd auseinander zu fallen droht.
Bietet Schubot noch klare, wenn auch sehr reduzierte Tanzformen, so dünnen Litó Walkey (Berlin) und Carlos Pez (Brüssel) in ihrem „Like This, Like That“ die Bewegungssequenzen aus, so dass ihr Stück eher als Performance denn als Tanz zu werten ist. Walkey beschränkt sich über weite Strecken aufs Gehen und Laufen, während Pez hier und da wie ein Satyr zwischen den Stellwänden mit hüpfenden Schritten herumwuselt. Aus Schrittfolgen entwickelt er einen Rhythmus, den er mit Handschlägen auf den Oberschenkel oder die Hacke akzentuiert. Zu Beginn sprechen sie auf Englisch poetischen-esoterische Texte über Regen, Mond, Sonne, Elfen, Elche, Entkleidung, die zwischenzeitlich wiederholt, einmal von Walkey gar mit angenehmer Stimme gesungen werden. Beide ordnen die Stellwände neu, schleppen sie hierhin, wo sich zwei zu einem Waldweg vereinigen, oder dorthin, hintereinander gestaffelt. Eingeschoben sind tonlose Filmabschnitte, die hauptsächlich Pez in einer Privatwohnung zeigen. Darin bricht er plötzlich in Bewegungen aus. Der Sinn hat sich mir nicht erschlossen. Sie schaut oft ins Publikum, ohne Blickzentrum, wie abwesend, äußere Einflüsse ausschließend, aber signalisierend: Achtung, Künstler/in am Werk. Zwar absolvieren sie einige Anläufe synchron mit wechselnden Posen, zu einem „echten“ Duo mit Berührung kommen sie nicht. Zeremoniell ziehen sie ihre schwarzen T-Shirts aus (darunter kommen weiße zum Vorschein), falten sie penibel und legen sie nebeneinander auf den Boden. So what?! Schlussendlich starten sie eine Art Wettbewerb, wer von ihnen am besten mit Gliedern schlackern kann, begleitet von Lauten wie Gackern, Hecheln, Pfeifen. Das wirkt wie ein Ausbruch, nachdem das Duo für 50 Minuten dermaßen in ihrem Kosmos eingekapselt agierte, dass nur Rätselraten blieb, was denn da nun gerade „verhandelt“ wurde. Eine autistische Note ist unübersehbar.
Resümee: Zwei auf der mangels Inspiration vergeblichen Suche nach einer stringenten Choreografie oder Szenerie.
Weitere Vorstellungen heute, 16.1., und Sonnabend, 17.1.09, jeweils 19:30 Uhr.
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