Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

José de Udaeta zu seinem neunzigsten Geburtstag

oe
Stuttgart, 27/05/2009

Eigentlich hatten wir heute in Stuttgart seinen neunzigsten Geburtstag feiern wollen, aber dann kam etwas dazwischen, und so müssen wir die Feier wohl auf später verschieben. Immerhin: wie viele sind denn noch am Leben von denen, mit denen wir nach 1945 die Tanzwelt neu aufgebaut haben? Und zu denen gehörten er, der am 27. Mai 1919 in Barcelona geborene José de Udaeta, und seine Partnerin Susana Audeoud, die von 1948 an als Botschafter des Spanischen Tanzes die halbe Welt bereisten – und das nicht nur bis zur Beendigung ihrer aktiven tänzerischen Karriere Anfang der siebziger Jahre, sondern bis ins neue Jahrhundert in ihrem „zweiten Leben“ als Pädagogen, Choreografen, Jury-Mitglieder und für José auch mit seinen Kastagnettenkonzerten.

Und so ist denn dieser Geburtstagsglückwunsch alles andere als ein Nachruf, sondern ein leicht nostalgisches Gedenkblatt für immerhin sechzig Jahre gemeinsam durchlebten Lebens – und wo sind wir nicht überall einander begegnet: bei den unzähligen Tanzabenden vor allem in Deutschland und Europa, aber auch in allen anderen Erdteilen, bei den Ferienkursen in Krefeld und Köln, in Sitges, in Stockholm und New York – und wo immer bei uns in zunehmenden Maße „Don Quixote“ auf dem Spielplan stand, da konnte man sicher sein, dass José daran beteiligt war. Und sich all der vielen Abende zu erinnern, an denen wir nach seinen Vorstellungen zusammen waren, heißt auch seiner langjährigen Assistentin Ursula Knaflewsky zu gedenken, und wie die beiden ganze Generationen von Tänzern geformt haben und ihnen beigebracht haben, was spanischer Tanz ist. Aber dann muss man auch der vielen anderen gedenken, die bei den Sommerakademien namentlich in Köln (ja, das waren noch Zeiten!) eine verschworene Gemeinschaft bildeten: die Pioniere des deutschen Nachkriegstanzes, angefangen von den Gründervätern in Krefeld um Walter/Wendel und Laurenzen (und nicht zu vergessen: die Mutter von allen – die unvergessene Elisabeth Knütgen), Madame Nora, Victor Gsovsky, Walter Nicks – und wie sie alle hießen.

Dass José dann in Stuttgart so ausgesprochen heimisch wurde – dass man fast von Stuttgart als der schwäbischen Dependance seiner andalusischen Residenz versucht ist zu sprechen –, das verdankte er seiner engen Freundschaft mit Renate Witzel und Alfred Braig, die in ihrer Zuffenhausener Ballettschule spezielle Wintertanztage und Ostertanzwochen für ihn einrichteten und damit Zuffenhausen zumindest in Tänzerkreisen genau so berühmt machten wie Porsche (nicht gar berühmter, denn wer aus Tänzerkreisen konnte sich schon einen Porsche leisten?). Und so verging kein Jahr, in dem José nicht bei den Braig-Witzels in der Schwieberdinger Straße aufgetaucht wäre. Und wenn José „in Town“ war, ging's nicht nur in der Schwieberdinger Straße hoch her. Wie wär's denn, wenn wir den 27. Mai auf den 23. September verlegten, denn da könnten wir gleich einen doppelten Geburtstag feiern, da Renate Braig-Witzel dann achtzig Jahre alt wird. Was aber José angeht, dem die Fliederfee bei seiner Taufe die Gabe der ewigen Jugend verliehen zu haben scheint, so hat er noch jüngst, gefragt nach seiner Einstellung zum Älterwerden das Geheimnis seines Lebens verraten: „Für mich ist Ballett immer auch Schönheit, Tanz ist Schönheit!“ Sein Wort ins Ohr so manches halb so alten Tänzergreises!

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