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Was nicht in den deutschen Zeitungen und Zeitschriften steht

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Stuttgart, 01/06/2009

Man kann die beiden nicht miteinander vergleichen – und tut es dann doch: Merce Cunningham und José de Udaeta, die beide in diesen Wochen ihren neunzigsten Geburtstag feierten; der zerfurchte Yankee am 19. April und der elegante Katalane am 27. Mai. Wie gesagt: der Amerikaner eine Persönlichkeit des Weltballetts, der andere – ja was denn nun? Ein Mann des spanischen Tanzes, zu dessen Popularität er in der ganzen Welt Enormes geleistet hat – erst als Tänzer, dann als Pädagoge, ein bisschen auch als Choreograf, als „Einflüsterer“, wo immer bei uns eine „Don Quixote“-Produktion vorbereitet wurde, als Jury-Mitglied und, nicht zu vergessen, als Kastagnetten-Konzertist.

Wie viele spanische Tänzer haben vor und neben ihm Karriere gemacht – als er anfing war es der eine Antonio als Superstar und neben ihm Luisillo und dann natürlich Antonio Gades (Jahrgang 1936), der hauptsächlich durch seine Filme weltweit bekannt wurde. José hat sie alle überlebt, hat ganzen kontinentalen Tänzergenerationen beigebracht, was es heißt, ein spanischer Tänzer zu sein, und hat dann hier in Stuttgart bei den Braig-Witzels in Zuffenhausen für Furore gesorgt. Mit seinen Wintertanztagen und Ostertanzwochen (und an der Cranko-Schule) hat er so etwas wie eine deutsche Dependance zu seiner Residenz in Barcelona/Sitges gegründet. Kein Spanier, kein Ullate, kein Duato, hat sich hierzulande um den Spanischen Tanz so verdient gemacht wie José.

Kein Grund für die beiden Stuttgarter Zeitungen, einen freundlichen Geburtstagsglückwunsch nach Barcelona zu senden! Manchmal zweifelt man, ob denn Stuttgart wirklich eine Ballettstadt ist! Von der Kompanie und vom Publikum her: sicher! Aber wird sie auch in den Medien als solche wahrgenommen? Wir haben zwei konkurrierende Zeitungen in der Stadt – die eine gibt sich wesentlich ballettengagierter als die andere (früher war‘s eher umgekehrt). Aber weder die eine noch die andere hat darüber berichtet, dass es in New York viel Ehre für Stuttgart gab: bei der Gala für Peter Pestov im City Center aus Anlass seines 80. Geburtstags.

Pestov ist Lehrer an der John-Cranko-Ballettschule – vorher war er an der Schule des Moskauer Bolschoi-Balletts, wo Alexei Ratmansky, Vladimir Malakhov und Yuri Burlaka zu seinen prominentesten Schülern gehörten. Alle drei haben es an die Spitze großer internationaler Kompanien geschafft: Ratmansky ist Chef vom American Ballet Theatre, Malakhov in Berlin und Burlaka (mit ihm ist gerade ein großes Interview in der englischen Dancing Times erschienen – hierzulande ist er hauptsächlich von der Petipa-Retrospektive in München bekannt) beim Bolschoi-Ballett in Moskau. „Peter the Great“ war die Pestov-Hommage in der amerikanischen danceviewtimes.com überschrieben. Sechs Tänzer aus Pestovs Stuttgarter Klasse demonstrierten sein Exercise, Alicia Amatriain und Mikhail Kaniskin sahnten zunächst mit Forsythes „In the Middle, Somewhat Elevated“ ab, Malakhov brillierte in Zanellas „Voyage“ und dann machten Amatriain und Kaniskin mit Christian Spucks „Le Grand Pas de deux“ Furore („She even managed to do fouettés in character“).

Es hätten sich sicher alle Beteiligten und ihre Stuttgarter Fans gefreut, wenigstens eine Notiz in den Stuttgarter Gazetten zu lesen. Hat nicht sollen sein! Schon mal was gehört von einem Ballett „Onegin“ von einem gewissen John Cranko? Offenbar noch nicht in Russland – obwohl es die Stuttgarter seinerzeit bei ihrem ersten Gastspiel in Leningrad getanzt haben (wobei die Meinungen geteilt waren, Plissetzkaja aber so angetan war, dass sie unbedingt von Cranko ein für sie kreiertes Ballett „Anna Karenina“ haben wollte). Jedenfalls wird in dem eine ganze Seite füllenden Bericht über Boris Eifmans „Onegin.Online“, uraufgeführt am St. Petersburger Alexandrinsky Theater, auch nicht ein einziges Mal der Name Cranko erwähnt. „The action of the ballet begins in 1991 and ends in 2009 … Eifman implicitly makes us compare Pushkin‘s ‚encyclopedia‘ with modern life.“ Die Musik stammt von Tschaikowsky und von der russischen Rockformation „Autograph“. Igor Stupnikovs Begeisterung – er ist der reguläre St. Petersburger Korrespondent der „Dancing Times“ - scheint sich in engen Grenzen gehalten zu haben: „When reading the press, I could hardly find a single favourable review, they were either abolutely negative or politely tepid“.

Vielleicht schickt ihm ja einer mal eine heimlich mitgeschnittene DVD der Stuttgarter Aufführung! Sollte mich wundern, wenn die so eifrig Eifman-engagierte Stuttgarter Kulturgemeinschaft den neuen russischen „Onegin“ noch nicht für ihre nächste Ludwigsburger Ballett-Stagione eingekauft hat! Und noch etwas ganz anderes: ein ungemein liebevoll aufgemachtes Erinnerungsbuch an Düsseldorf-Duisburgs verdienstvolle Ballerina Edel von Rothe, präpariert und herausgegeben von Wolfgang Enck, langjähriger Tänzer und Ballettmeister des Rheinopern-Balletts. So professionell gemacht, als handelte es sich um eine Diplomarbeit für einen Masters Degree an der Hochschule für Buchgestaltung. Ein nicht ganz billiges Projekt, wie man sich vorstellen kann, doch diejenigen ihrer Fans, die die Erinnerung an sie wach halten wollen, können sich ja einmal erkundigen, wie man denn an ein Exemplar herankommen kann – und zwar via WE, Josef-Werres Str. 42, 40668 Meerbusch.

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